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Lokalderby

Titel: Lokalderby
Autoren: Jan Beinßen
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mit der einzigen Person sprechen, von der er sich kompetente Auskünfte über diese spezielle Thematik erhoffte, ja, die vielleicht sogar detailliert über Sakowskys Anlagedesaster Bescheid wusste. Es war schon spät, aber vielleicht würde er sie noch erreichen.
    »Entschuldigt mich«, sagte er, als er aufstand und sich die rechte Hand vor den Bauch hielt. »Habe wohl zu sehr geschlungen. Mir ist nicht gut. Brauche dringend frische Luft.«
    Die Visitenkarte von Ivonne Wagner trug er noch immer in seiner Brieftasche bei sich. Im milchigen Licht, das durch das von innen beschlagene Schaufenster des Goldenen Ritters nach draußen auf den Weinmarkt fiel, las er ihre Handynummer ab und tippte sie ein.
    Die Spielerberaterin meldete sich kaum einen Wimpernschlag später: »Wagner, hallo?«
    »Flemming am Apparat. Paul Flemming. Sie erinnern sich? Ich bin der . . .«
    »Na sicher erinnere ich mich. Aber warum rufen Sie um diese Zeit an?«
    »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie in Ihrer Freizeit störe.«
    »Brauchen Sie nicht. Ich sitze eh noch am Schreibtisch. Wollte eigentlich nur ein bisschen Papierkram abarbeiten. Na ja, Sie wissen sicher, wie das ist: Wenn man erst mal anfangt, nimmt das kein Ende, und so hocke ich wahrscheinlich morgen früh noch hier.«
    Paul erkannte seine Chance und fragte: »Macht es etwas aus, wenn ich kurz bei Ihnen reinschaue? Ich habe ein paar wichtige Fragen zu Weinfurther und Sakowsky, die mir keine Ruhe lassen.«
    »Weinfurther? Ich dachte, die Angelegenheit wäre geklärt?«
    »Nicht ganz.«
    »In Ordnung. Dann kommen Sie bei mir vorbei. Aber rufen Sie mich noch mal an, wenn Sie da sind. Ich muss Ihnen unten aufsperren, um diese Uhrzeit ist die Pforte nicht mehr besetzt.« Ivonne Wagner wirkte abgekämpft und erschöpft, als sie Paul in der nur mit Notlicht beleuchteten Empfangshalle begrüßte.
    »Vielen Dank, dass Sie ein Ohr für mich haben«, sagte Paul und folgte der Spielerberaterin durch den verlassenen Flur zu ihrem Büro.
    »Wie gesagt: Ich bin sowieso noch bei der Arbeit. Wenn Sie mir Gesellschaft leisten, kann mir das nur recht sein.«
    »Sehr nett von Ihnen.«
    Im Büro angekommen, setzte sich Ivonne Wagner sofort wieder vor ihren Computer und begann in die Tastatur zu tippen.
    »Reden Sie nur, ich höre Ihnen zu, während ich schreibe. Wie heißt es so schön? Frauen sind multitaskingfähig.«
    Paul ließ sich das nicht zweimal sagen und brachte sein Anliegen vor. In Kurzform schilderte er der Spielerberaterin den aktuellen Stand der polizeilichen Ermittlungen und brachte dann seine eigenen – und Blohfelds – Vorbehalte ins Spiel. Bei der Erwähnung der TrustSolid sah sie erstmals zu ihm auf.
    »Sagten Sie › TrustSolid ‹ ?«, vergewisserte sie sich.
    »Richtig. Das ist eine Anlagegesellschaft, die offenbar das Geld ihrer Kunden veruntreut hat. Noch ist die Struktur dieser Briefkastenfirma nicht freigelegt, und über die Hintermänner weiß man schon gar nichts. Fakt ist aber, dass Sakowsky bei dieser Firma mehrere hunderttausend Euro versenkt hat. Ist Ihnen im Rahmen Ihrer Beratungstätigkeit davon etwas bekannt gewesen?«
    Ivonne Wagner hob kaum merklich die rechte Braue. »Ja, der Name › TrustSolid ‹ tauchte mehrere Male auf. Dieses Unternehmen hat sich an einige unserer Spieler herangemacht und mit hohen Renditen geworben.«
    »Haben Sie geahnt, dass etwas daran faul sein könnte?«
    »Mit Ahnungen allein kommt man nicht weit in unserem Gewerbe.« Sie lächelte schwach. »Nun, ich bemühe mich, unseren Jungs solide Wertanlagen zu vermitteln und halte mich dabei meistens an den Rat der etablierten Geldinstitute. Alles andere wäre zu risikoreich. Aber wenn sie dann mit Gewinnmargen geködert werden, die meine Empfehlungen um ein Vielfaches übersteigen, springen mir meine Schützlinge ab. Da hilft kein gutes Zureden und kein Mahnen.«
    Paul, der sich in einem stylischen, aber unbequemen Hartplastiksessel in Club-Rot niedergelassen hatte, wollte wissen, ob Ivonne Wagner auch Sakowsky gut zugeredet beziehungsweise gewarnt hatte.
    Sie seufzte. »Bei dem ist Hopfen und Malz verloren. Seitdem Sakowsky ständig von seinem russischen Turteltäubchen umkreist wird, sind ihm meine Ratschläge herzlich egal.«
    »Dann sind Sie ebenfalls der Auffassung, dass Svetlana gleichzeitig in der Rolle der Verführerin wie auch als Vermittlerin von betrügerischen Anlagen aufgetreten ist?«
    »Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen.«
    Paul nickte langsam und ließ die
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