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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter
Autoren: Gaby Hauptmann
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Ernst der Lage.
    »Stockholm ist eine Großstadt, da wird ein bisschen Schnee keine Rolle spielen. Und außerdem könnte es genauso gut ein goldener Oktober werden.«
    »Aber in drei Wochen! Ben! Ich habe das Portrait gerade eben entdeckt, da kann ich doch keine drei Wochen mehr warten!«
    Mit einem Auge sah sie zu dem Jack Russell, der kerzengerade vor dem Fernseher saß und jede Bewegung auf der Mattscheibe verfolgte.
    »Uns läuft doch keiner weg. Wenn Moritz wirklich irgendwo in Schweden leben sollte, weiß er nicht, dass er weglaufen sollte. Und sonst gibt es auch keinen Grund zur Eile.«
    Ella dachte an Steffi. In drei Wochen würde sie schon wieder zurück sein. Vielleicht wäre es sowieso besser, sich mit ihr auf die Suche zu machen – sie war findig und clever.
    »Und außerdem sind diese kurzfristigen Flüge verflucht teuer!«, meinte Ben in ihre Gedanken hinein.
    Das stimmte allerdings. Zu einer Zeit, da sich alle Fluggesellschaften unterboten, waren sechshundertfünfzig Euro tatsächlich ein Wort.
    »Wir könnten uns den Ausflug ja gegenseitig zu Weihnachten schenken«, schlug sie vor.
    »Na, dein Gesicht möchte ich sehen, wenn an Weihnachten nichts unter dem Baum liegt«, gab Ben zur Antwort, und Ella wusste, dass er recht hatte. Sie war nun mal noch ein Kind, was Geschenke anging.
    »Und jetzt?«, wollte sie wissen.
    »Und jetzt geduldest du dich halt ein bisschen.«
    Ella sah zu Jimmy, der aufgeregt hin und her raste, weil auf dem Bildschirm gerade ein ganzer Schwarm Vögel losflog.
    Jimmy und ich passen zusammen, dachte Ella. Der kann auch nicht ruhig mit anschauen, wenn gerade vor seiner Nase irgendetwas Aufregendes passiert.
    »Schau morgen einfach, was du machen kannst«, sagte Ella.
    Es war kurz still.
    »Wenn du magst, kannst du ja noch kommen«, sagte er mit veränderter Stimme.
    »Würde ich gern«, gurrte Ella zurück, »aber ich habe leider Besuch.«
    »Ach?«
    »Ja. Jimmy. Einen Überraschungsgast. Den kann ich unmöglich alleine lassen.«
    »Und …«, seine Stimme klang zögerlich.
    »Das erzähle ich dir alles morgen. Jetzt schlaf schön und schau, dass du das morgen geregelt bekommst.«
    Mit einem süffisanten Lächeln legte sie behutsam auf. Das war jetzt gemein. Schön gemein.

Donnerstag
    Einen Tag später buchte Ella. Sie konnte und wollte nicht warten. Sie überlegte sich, noch einmal in die Galerie zu gehen und Moritz’ Portrait anzuschauen, damit sie ihn wirklich ganz präsent hatte, aber sie konnte nicht. Es graute ihr.
    Ben hingegen war gleich am nächsten Tag losmarschiert.
    »Aha«, sagte er, »das ist nun also euer sagenumwobener Moritz.«
    »Wieso denn sagenumwoben?« Sie hatten sich danach mittags in einem Bistro getroffen, Ben hatte sich einen Auflauf mit extra viel Käse bestellt und Ella eine Bratkartoffel mit Lachs und Crème fraîche.
    »Er war doch der meistumschwärmte Typ eurer Schule.«
    »Ach so?« Ella schaute ihn erstaunt an. »Wie kommst du denn auf so was?«
    »Na ja, es waren doch alle Mädels in ihn verschossen. Das hast du selbst gesagt.«
    Ella schüttelte den Kopf. »Das habe ich sicher nicht gesagt. Ich war nämlich überhaupt nicht in ihn verschossen, wie du es nennst.«
    »Na gut, von mir aus«, Ben machte eine beschwichtigende Geste und griff zu seinem Wasserglas. »Ich weiß ja nicht, wie er in Wirklichkeit aussieht, aber das Portrait ist große Klasse!« Er trank das Glas leer und machte sich wieder über seinen Auflauf her.
    Was so ein großer Mensch alles in sich hineinschaufeln kann, dachte Ella. Ich würde platzen oder wäre für den Rest des Tages ganz einfach nur geliefert.
    »Schmeckt es dir nicht?« Ben deutete mit seiner Gabel auf Ellas Teller. Stimmt, sie pickte wie ein Vögelchen herum, hier was, dort was, so ein richtiges System brachte sie heute in ihr Mittagessen nicht hinein. Es sah alles etwas konfus aus.
    »Ich bin zur Zeit einfach nicht hungrig!«
    »Du wirst abnehmen«, sagte er besorgt.
    Ella lächelte. So einen Spruch würde sich wahrscheinlich manche Frau von ihrem Liebhaber wünschen, dachte sie. Aber Ben stand tatsächlich nicht auf zu schlanke Frauen, er liebte Busen, Hüfte und Po und möglichst handfest, wie er sagte.
    »Es ist noch genug dran«, sagte sie und spießte eine Lachsscheibe auf.
    »Es schmeckt mir nicht, wenn du nicht isst.« Ben betrachtete sie über den Rand seiner Brille hinweg.
    »Ich esse ja schon!« Auch so ein Phänomen, schoss es ihr durch den Kopf. Zum Lesen braucht er keine Brille, aber wenn er
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