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Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)

Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)

Titel: Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)
Autoren: Verschiedene Autoren
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1. Dezember
Sakrileg 2213
Von Danny Braun alias Martin Johannson
    Es war stockduster, als das Comphone klingelte. Robinson Langhorn blinzelte irritiert in die Dunkelheit, die nur von dem unbeirrt blinkenden Lämpchen des Gerätes erhellt wurde. Was sollte das denn? Wer rief ihn denn um diese Uhrzeit an? Der konnte sich warm anziehen.
    Er sah auf das Display des Comphones, wo das Bild eines Mannes ungeduldig darauf wartete, zu Wort kommen zu dürfen.
    „Was ist?“, fragte Langhorn. Das war das Signal für das Comphone, den Anrufer durchzustellen.
    „Es tut mir leid, dass ich Sie mitten in der Nacht stören muss, aber es ist dringend.“ Der Mann im Display sah Langhorn mit einem eindringlichen Blick an.
    Der Verschlafene konnte das Gesicht jedoch nicht einordnen. „Wer sind Sie?“
    „Mein Name ist Grady Kolmar. Wir haben einen gemeinsamen Freund – Paul Zesanne. Wegen seiner Person rufe ich an.“
    „Was ist mit ihm?“
    „Wir waren verabredet, aber er ist nicht erschienen. Da bin ich zu seinem Haus gefahren. Er ist tot. Wie es aussieht, erstochen.“
    Robinson Langhorn war für einen Moment sprachlos. Er kannte Paul Zesanne nicht sonderlich gut. Man traf sich bei öffentlichen Anlässen, unterhielt sich kurz, dann trennten sich die Wege wieder. Er war ein interessanter Mann, der sich insgeheim, aber gelegentlich auch öffentlich, für die Rettung und Erhaltung der alten Künste einsetzte. Langhorn hatte ihn deswegen öfter belächelt, er wollte lieber seine Ruhe haben und sich nicht den Unmut der Behörden zuziehen, auch wenn er nicht alles guthieß, was im Neuen Europa passierte. Aber dass jemand Paul Zesanne getötet hatte, traf Langhorn jedoch tiefer, als er gedacht hätte. Zesanne hatte auf ihn immer einen leidenschaftlichen und offenen Eindruck gemacht, Charakterzüge, die man heutzutage nicht mehr oft in den Menschen vorfand.
    „Warum rufen Sie mich an? Das ist doch eher eine Sache für die Polizei.“
    „Zesanne hat eine Nachricht hinterlassen, die Sie sehen sollten. Wenn jemand herausfinden kann, was er gemeint hat, dann sind Sie es.“
    „Was ist das für eine Nachricht?“
    „Sie müssen sie sehen. Bitte.“ Der Mann klang eindringlich. Seine Augen wirkten flehend.
    Langhorn sah gequält auf die Uhr. Es war 2 Uhr morgens. Für ihn kaum die richtige Zeit für das Studium von verschlüsselten Nachrichten. Er war Spezialist für Codes, ausgestorbene Sprachen und Symbole und wurde öfter zu Rate gezogen, wenn es um codierte Botschaften oder unlesbare Texte ging. Vor allem die neue Regierung und die ESSF, die European Security Special Force, eine besondere Art des Militärs, die nur auf die Abwehr von Angriffen von innen spezialisiert war, forderten ihn oft an, um Nachrichten von angeblichen Terroristen und Verrätern zu entschlüsseln. Oftmals handelte es sich um private Botschaften von Nationalisten, die verzweifelt versuchten, die Muttersprache ihrer Ahnen am Leben zu erhalten und sich E-Mails auf Deutsch, Spanisch, Französisch oder sogar Schweizerdeutsch sandten. Aber das war im Europa des Jahres 2213 nicht mehr erlaubt. Jetzt sprach man nur noch Eurabinesisch, die offizielle Staatsprache. Und wer die alten Sprachen nutzte, galt als Verräter und landete im Hochsicherheitstrakt in Brüssel.
    „Hat das nicht Zeit bis morgen? Machen Sie Fotos und senden Sie mir diese dann zu. Ich sehe mir alles an, sobald es hell wird.“
    „Das geht nicht, fürchte ich. Ich habe den Eindruck, dass die Form, in der er liegt, schon eine Nachricht für sich darstellt. Bitte kommen Sie her.“
    Robinson Langhorn stöhnte leise, doch dann nickte er. „Gut, ich komme.“
    „Und beeilen Sie sich. Wenn die Polizei davon erfährt, wird sie alle Spuren vernichten.“
    Damit könnte der Anrufer Recht haben. Falls Zesanne tatsächlich eine Botschaft verschlüsselt aussenden wollte, war sie mit Sicherheit nicht für die Behörden bestimmt.
    Schnell zog sich Langhorn an und setzte sich auf sein E-Bike, um auf den vollen Straßen Richtung Stadtrand zu fahren. Viele Menschen hatten wegen der intensiven Sonnenstrahlung ihr Leben auf die Nacht verlegt und schliefen am Tage. Robinson Langhorn gehörte jedoch nicht dazu. Er betrachtete sich als altmodischer Mann, der sich lieber tagsüber dick mit Zinkcreme einschmierte, um vor den Sonnenstrahlen geschützt zu sein, und wie eh und je nachts schlief. Aber er gehörte damit einer aussterbenden Sorte Mensch an. Die meisten hatten sich bereits umgestellt, auch viele Firmen, soweit
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