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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter
Autoren: Gaby Hauptmann
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isst, muss er jedes Körnchen sehen. Schon seltsam, welche Eigenarten man im Laufe der Zeit annimmt. Sie dachte über ihre nach, aber auf Anhieb fielen ihr keine ein.
    »Willst du wirklich alleine fliegen?« Noch immer ruhte sein Blick auf ihr.
    »Ja, natürlich, ich habe schon gebucht. Alles andere dauert mir zu lang!«
    »Es ist mir nicht wohl, wenn du dich alleine aufmachst.«
    »Was soll denn schon passieren?«
    Ben zuckte die Achseln. »Alles.« Er runzelte kurz die Stirn. »Alles kann passieren.«
    »Stockholm ist ein zivilisiertes Pflaster, und ich suche nur eine Künstlerin auf, kein Ungeheuer.«
    »Wenn stimmt, was damals ermittelt wurde, dann suchst du nach einem Ungeheuer.«
    »Ach, Ben.« Ella griff über den Tisch nach seiner Hand. Es war so vertraut, so gut, ihn zu spüren. Sie schauten sich in die Augen. Seine waren blau und von einer Wärme, die Ella immer wieder faszinierend fand. Sie spiegelten den ganzen Menschen wider, den Ben, in den sie sich nicht nur verliebt, sondern den sie auch von Tag zu Tag lieber gewonnen hatte. Auch sein Gesicht hatte etwas Väterliches, obwohl er kaum älter war als sie selbst. Immer wenn sie ihn sah, wirkte er auf sie wie eine Trutzburg, in die man sich bei Gefahr flüchten konnte. Kein Wunder, dass er sie nicht alleine ziehen lassen wollte. Offensichtlich fühlte er sich für sie verantwortlich. »Ben, ich bin nicht dein Kind!«
    »Ja, ich weiß.« Er streichelte ihre Hand. »Ich weiß, dass du stark bist. Und selbstbewusst. Und eigenständig und all das. Aber dieses Abenteuer … ich weiß nicht, ob das gut ist.«
    »Dann komm doch mit!«
    »Du weißt, dass ich das so schnell nicht kann.«
    Das war nun halt die andere Seite des ruhigen, besonnenen Ben, dachte Ella. Spontaneität lag ihm nicht. Er musste planen und den Weg von A nach B bestimmen, bevor er sich aufmachte. Wie er wohl werden würde, wenn er erst mal fünfzig war?
    Sie schüttelte den Gedanken ab.
    »Du weißt, ich liebe dich«, sagte Ben in dieser Sekunde, und es fuhr Ella in sämtliche Glieder. Da war es wieder, sein Liebesgeständnis, seine völlige Hingabe an sie. Eigentlich war es tatsächlich so: Sie hatte eine riesige Verantwortung seinen Gefühlen gegenüber. Sie durfte ihn nicht verletzen, der große Bär war gefühlsmäßig ein zarter Schmetterling.
    »Mir passiert schon nichts«, sagte sie und drückte seine Hand.
    »Du weißt, das würde ich nicht überleben …«

Montag
    Ella hatte sich gut informiert. Wie weit außerhalb lag der Flughafen? Lohnte sich ein Taxi, oder gab es andere Möglichkeiten? Wo war die Galerie, und welches Hotel lag günstig? Wieder einmal sang sie das Hohelied aufs Internet – unglaublich, was damit in kurzer Zeit zu erreichen war. Nur auf Moritz Springer fand das Web keine Antwort und auf Inger Larsson wenig Verwertbares.
    Der Flug ging um sechs Uhr morgens, so war sie zur Frühstückszeit in Stockholm. Ein Frühstück ist ein guter Start in den Tag, dachte sie, als sie mit ihrem kleinen Koffer an der Centralstation aus dem Arlanda Express stieg und ihr Hotel suchte. Sie hatte es genau hier gebucht, um nicht ewig mit einem Koffer herumlaufen zu müssen. Die Straßennamen waren zwar fremd, trotzdem fand sie sich gut zurecht. Und das Wetter war besser als in Frankfurt. In ihrer Jacke war es ihr nun fast zu warm, doch zu ihrem Erstaunen gab es um sie herum etliche Männer in kurzärmeligen T-Shirts und sogar einige junge Frauen in kurzen Sommerröcken. So warm war es nun auch wieder nicht, aber im Norden weckte wohl jeder Sonnenstrahl sommerliche Gefühle.
    An der Rezeption war bereits viel los, und Ella stellte sich gelassen hinten an. Dabei kam sie sich schon richtig gut vor, merkte aber recht schnell, dass die Menschen hier mit unglaublicher Geduld gesegnet waren. Eigentlich ging nichts voran, und trotzdem strahlten alle gute Laune aus. Nach zehn Minuten dachte Ella darüber nach, das Einchecken zu verschieben und zunächst mal im Hotelrestaurant zu frühstücken, als der vorderste Gast von der Rezeptionistin freundlichst verabschiedet wurde und sie somit um eine Stelle vorrückte. Immerhin, dachte sie, wer weiß, wo ich nachher lande. Sie versuchte, sich auf ihr Programm zu konzentrieren und ihre Ungeduld zu beherrschen. Schau, sagte sie sich, die anderen können das doch auch. Du musst einfach einen Gang zurückschalten.
    Das Hotel war modern und offen, ein typisches Touristen- und Businesshotel. Kleine Sitznischen vor einem großen gläsernen Gaskamin, dahinter
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