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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gelitten. In den Jahren, als Möbel so knapp waren wie Speck und Butter und man nach dem Sieg über die deutschen Armeen auf Decken und Säcken auf der Erde schlief, weil Moskau plötzlich doppelt so viele Einwohner hatte als vor dem Vaterländischen Krieg, als in einer Zweizimmerwohnung drei Familien hausten und selbst der Lokus auf dem Flur nachts als Schlafstätte diente (was ab und an zu erregten Diskussionen Anlaß gab, denn ein Lokus ist letztlich nicht zum Schlafen da), als eben Mütterchen Rußland aus den Nähten platzte, erwies sich Alajew als wahrer Menschenfreund.
    Er hatte drei Möbelfabriken an der Hand, die zwar irgendwo im tiefen Osten lagen, in Kamensk-Uralskij, was das Transportproblem sehr erschwerte, aber diese Fabriken lieferten Bettgestelle. Es waren keine Luxusbetten, o nein. Ein paar Bretterchen waren es, roh gehobelt und zusammengenagelt wie eine Kiste, unten hatte der Kasten einen Lattenrost, auf den man den Strohsack legen mußte, auch vier Klötzchen waren daran, die man Füße nannte, aber, Leute, es war ein Bett! Man mußte nicht mehr auf der Erde schlafen, man schwebte zehn Zentimeter darüber. Alajew gab beim Vertrieb dieser Bettgestelle auch weise Anleitungen mit. »Bewegt euch nicht so wild in den Betten, Genossen«, sagte er. »Ich komme für keinen Schaden auf. Die Witwe Jermila kam gestern fluchend zu mir und hatte einen Splitter in ihrem dicken Hintern. Ich frage, wie kommt ein Splitter in den Hintern, wenn man vernünftig und still im Bett liegt? Also, Genossen, wenn ihr euch bewegen wollt …«, und dabei grinste er breit, »… geht zurück auf die gute Erde. Sie ist glatt, und es gibt auch keine Splitter.«
    Ein wahrer Menschenfreund, der Stepan Iwanowitsch! Man hatte es ihm nicht vergessen, als die Zeiten sich normalisierten und Alajew wieder gute Möbel verkaufte. Dicke Polstermöbel, pompöse Küchenschränke, sogar Teppiche aus Samarkand und Schlafzimmer aus polierter Birke. Alajew wurde Stadtviertelvorsitzender der Kommunistischen Partei, er kam in das Stadtgremium für Wiederaufbau, er hielt Vorträge über Wohnkultur vor den Komsomolzen, und er wurde Zweiter Vorsitzender des Moskauer Möbelhändlerkombinats, was ihm manchen Staatsauftrag einbrachte. Einer davon war die Einrichtung der dritten Etage des Hotels Moskwa. Aber das war schon vor vier Jahren, und wer dachte noch daran?
    In der Nacht – um genau zu sein: 2.19 Uhr morgens – klingelte es an der Wohnungstür von Stepan Iwanowitsch Alajew. Jekaterina, seine Frau, fuhr aus dem Bett hoch, setzte sich, strich sich die schwarzen strähnigen Haare aus dem breitknochigen Gesicht, schlug schnell ein Kreuz über der üppigen Brust und stieß dann Stepan in die Seite.
    »Heilige schwarze Mutter Gottes«, flüsterte sie, als könne sie hier jemand hören. »Er ist da!«
    Alajew sprang aus dem Bett. Er war ein mittelgroßes, drahtiges Kerlchen, mit Luchsäuglein und einer kleinen Knollennase, so daß er immer aussah, als lächelte er und habe schon vor dem Aufstehen seine Wodkas vertilgt.
    »Endlich!« sagte er, fuhr in die Hosen und streifte die Hosenträger über. »Bis 1 Uhr habe ich gewartet. Aber ein werktätiger Mensch braucht ja auch seinen Schlaf. Los, los, Jekaterinaschka … steh auf, koch einen Tee, von dem grünen, chinesischen, hol Speck und Schinken, brate ein paar Eier, und dann leg dich wieder hin …«
    Er lief aus dem Schlafzimmer, und wenig später hörte Jekaterina, wie ein Mann das Wohnzimmer betrat und sagte: »Es war leichter, als ich angenommen hatte, Alajew. Wenn alles so reibungslos weiterläuft …«
    Jekaterina seufzte tief. Warum muß er das tun, dachte sie, als sie in die Küche ging und die Bratpfanne vom Haken nahm. Verdient er nicht genug mit seinen Möbeln? Ist er nicht ein geachteter Mann in Moskau? Was hat er mit den Amerikanern zu schaffen? Man wird ihn aufhängen, wenn es herauskommt. Man wird uns alle verbannen. O diese verfluchte Politik der Männer! Als ob es nicht wichtiger ist, daß man Speck in der Pfanne hat und ein gutes Stück auf dem Holzteller!
    Im Wohnzimmer setzte sich Franz Heller in einen der Polstersessel. Er sah völlig verändert aus. Die goldgefaßte Brille fehlte, und auch die zusammengekniffenen kurzsichtigen Augen waren verschwunden. Er trug die Kleidung eines Hausburschen des Hotels Moskwa, sein braunes Haar war blond geworden und kurzgeschnitten. Er wirkte wie ein bronzierter Igel. Alajew lachte noch immer, während sich Heller die Schürze abband und sie über
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