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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben Sie Ihren vollständigen Paß mit Foto und amtlichen Stempeln. Und was wollen Sie dann tun?«
    »Abwarten. Wir haben Zeit. Erst muß sich die Aufregung gelegt haben, die mein Verschwinden aus dem Hotel ausgelöst hat. Uns drängen keine Tage oder Wochen. Das Problem ist nur, ob es nicht auffällt, daß Sie so lange einen Gast bei sich haben.«
    »Ich stelle Sie als Möbelträger ein, Pawel Konstantinowitsch. Da fragt uns keiner mehr. Offiziell schlafen Sie in einer Ecke des Möbellagers auf einem weichen Bett aus Sägespänen. Und nun trinken Sie noch eine Tasse von dem köstlichen Tee, Genosse. Mein Täubchen Jekaterina versteht sich auf das Teekochen …«
    Vor den Fenstern der Wohnung dämmerte schon der Morgen, als sie endlich zu Bett gingen.
    Jekaterina lag noch wach. Sie hatte beschlossen, gleich am Morgen hinüberzugehen zur Kirche St. Nikolaus von Worobina und ein stilles Gebet zu sprechen um Schutz und Befreiung von der Angst.
    Zwei Tage lang schwieg man im KGB und machte sich Gedanken, was das Verschwinden des Deutschen Franz Heller bedeuten sollte. In keiner noch so geheimen Akte tauchte sein Name auf, kein Kontaktmann wußte etwas über ihn, die Meldungen aus Westdeutschland und von der Botschaft aus Rolandseck waren ebenso negativ. Selbst die in den amerikanischen CIC und CIA in Bonn, Paris und Washington eingeschleusten V-Männer gaben verneinende Auskunft, wenn der Name Heller fiel.
    Oberst Karpuschin und sein Stab rauften sich die Haare. Das Ministerium für Staatssicherheit teilte seine Ansicht, daß in jener Nacht, als Heller verschwand, irgendein westeuropäischer Geheimdienst ein dickes Ei in das sowjetische Nest gelegt hatte. Aber wer? Der CIA nicht, die MAD in Bonn nicht, das Amt Gehlen in Pullach nicht, der Secret Service in London nicht … keiner war es, wenn man alle Meldungen zusammennahm. Hier sah man plötzlich ein informatorisches Loch, das die maßgebenden Leute in Moskau entsetzte und zutiefst unsicher werden ließ.
    »Es bleibt kein anderer Weg«, sagte ein Ministerratsmitglied zu Oberst Karpuschin, nachdem man alle Möglichkeiten durchgegangen war. »Wir müssen der Deutschen Botschaft melden, daß wahrscheinlich ein Verbrechen an einem ihrer Landsleute begangen worden ist. Das ist zwar blamabel, aber einleuchtend. Wir zerstreuen dadurch etwaige Annahmen, daß wir an Spionage denken könnten, und haben Zeit, diesen Heller zu suchen. Offiziell ist er einfach weg!« Der Minister sah Karpuschin an. »Oder haben Sie noch einen anderen Vorschlag, Genosse Oberst?«
    »Nur eine Ergänzung, Genosse. Wir werden diesen Heller als Opfer seiner homosexuellen Abart hinstellen. Es kommt auch bei uns vor, Genosse, daß in diesen Kreisen Morde geschehen, die man nie entdeckt.«
    »War er denn …?«
    Karpuschin schüttelte den Kopf. »Wer will uns das Gegenteil beweisen? Wir werden zwei Hotelboys als Zeugen vorstellen, die Heller schon kurz nach seiner Ankunft im Hotel mit Anträgen belästigt hat.«
    »Das ist sehr gut.« Der Minister erhob sich und sah über die Köpfe des Stabes Karpuschin. »Genossen, man sagt so einfach: Was kann ein einzelner, kleiner Mensch schon der großen sowjetischen Nation schaden! Das ist falsch. Ein einziger Holzwurm genügt, eine Holzstütze zu zernagen … Er braucht nur seine Zeit. Es liegt an Ihnen, Genossen, dem Deutschen diese Zeit nicht zu lassen!«
    Oberst Karpuschin hatte in den nächsten drei Tagen ein Riesenpensum zu erfüllen. In Zusammenarbeit mit allen staatlichen Verwaltungen und Organisationen wurden die Leiter der großen Werke und Staatsbetriebe gewarnt. Alle Neueinstellungen mußten ab sofort von den Politkommissaren überprüft werden. Vor allem die Stahlindustrie, die Zubringerwerke für die Rüstung, die Panzer- und Traktorenfabriken, die Feinmechanik, die Raketenbasen und die physikalischen Werke wurden angehalten, jeden Antrag um Einstellung neuer Arbeiter sofort nach Moskau zu melden.
    Ein Riegel des Mißtrauens verschloß jedes Fabriktor. Von Minsk bis Wladiwostok, von Leningrad bis Tiflis, vom Schwarzen Meer bis zum Eismeer.
    »Gerade weil ihn niemand kennt, ist er besonders gefährlich«, sagte Oberst Karpuschin immer wieder, als man ihm vorhielt, es sei unklug, eines einzigen Mannes wegen solch einen Wirbel zu machen. »Er muß ein eiskalter Bursche sein, daß er so öffentlich zeigt, was er bei uns will! Hätte man ihn heimlich nachts mit dem Fallschirm abgesetzt, lebte er als unbekannte Laus in unserem Pelz … Brüderchen, das sind
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