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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Sessellehne legte.
    »Wie sehen Sie eigentlich richtig aus?« fragte er.
    »Das weiß ich bald selbst nicht mehr.« Heller griff nach den Papyrossi, die ihm Alajew hinhielt, knickte das lange Pappmundstück zweimal ein und machte einen langen Lungenzug. Dann streckte er die Beine weit von sich und legte den Kopf zurück auf die Sessellehne. »Es war trotz allem eine verteufelte Situation«, sagte er. »Wußte ich, wer Alajew ist?«
    »Es hat doch alles geklappt, nicht wahr?«
    »Präzise. Im Wäscheschrank hing der Schlüssel zur Personaltreppe, unter der Matratze lag der Hotelgrundrißplan, im Etagenbad vier war im Hohlraum unter der eingebauten Wanne die Hausburschenkleidung versteckt. Trotzdem gab es eine verdammt kritische Minute. Ich komme vom Personaltreppenhaus in die Halle und treffe auf den Nachtdirektor. ›Wieso rennst du hier noch 'rum?‹ brüllt er mich an. ›Ich soll aus dem Wagen eines Engländers eine Tasche mit Schuhen holen!‹ sage ich und zeige einen kleinen Schlüssel, der aussieht wie ein Autoschlüssel. Dann war ich draußen.«
    »Sonst hat Sie niemand gesehen?«
    »Späte Spaziergänger. Ein paar Liebespaare. Wer beachtet einen Hotelburschen?«
    Alajew war zufrieden. Von der Küche her zog der Duft gebratener Eier und brutzelnden Specks ins Zimmer. »Mein Täubchen macht Ihnen ein kräftiges Essen und einen stärkenden Tee. Ich hatte schon Sorge, als Sie bis 1 Uhr nicht eintrafen. Aber U II hat mir keine genaue Zeit angegeben, nur den Tag.«
    Franz Heller nickte. Er war plötzlich müde. Die Nervenanspannung der letzten Stunden löste sich und erzeugte eine lähmende Schlaffheit in allen Gliedern. Er hätte jetzt umfallen und schlafen können.
    U II, dachte er, Major James Bradcock vom CIA. Wie eine Riesenspinne saß er in seinem kleinen, unscheinbaren Bauernhaus an der tschechischen Grenze und spann seine Netze über ganz Osteuropa. Dabei sah er aus wie ein Texasfarmer, trank gern und liebte rothaarige Frauen. Er nannte sich Wilhelm Reinfeld und hatte den Hof an der Grenze gepachtet. Wie bei einem normalen Bauernanwesen wurden die Felder bestellt, wurde gesät und geerntet. Nur nachts öffnete sich das Dach, einige Ziegel klappten nach unten, und eine schlanke, hohe Antenne fuhr in den Nachthimmel.
    Das Ohr Bradcocks lauschte nach Osten. Nach Warschau, Leningrad und Moskau. Die Spinne webte an ihrem Netz …
    »Mein Täubchen Jekaterina«, sagte Alajew und stellte seine Frau vor. Sie hatte Tee, zwei Teller mit Eiern und Speck gebracht, gab Heller die Hand und verließ dann stumm das Zimmer.
    »Sie hat Angst«, erklärte Alajew und setzte sich. »Man muß das verstehen. Es geht uns gut. Ich habe die Rubel nicht nötig, die ich von euch bekomme. Ich tue es ja auch nur aus Überzeugung, das wissen Sie. Ich hasse die Bolschewiki. Die Roten haben meinen Vater gefoltert und dann erdrosselt, damals 1920. Mein Vater war weißrussischer Kosak. Mein Bruder wurde erschossen, 1943. Er soll Selbstverstümmelung begangen haben, um nicht an die Front zu müssen. Dabei ist er in eine Rübenhacke gefallen und hat sich das Schienbein zertrümmert. Mein Haß ist wie ein schleichender Brand, Brüderchen.«
    Franz Heller nickte und aß ein paar Gabeln voll Ei und Speck. Der heiße grüne, süße Tee tat ihm gut. Die Erschöpfung wurde aus dem Körper getrieben, das gelähmte Hirn befreite sich.
    Alajew erhob sich, ging zu einem Geldschrank in der Ecke, schloß ihn auf und holte aus dem Tresor ein paar Papiere. »Hier ist alles, was Sie brauchen. Ihr sowjetischer Paß. Sie heißen ab sofort Pawel Konstantinowitsch Semjonow. Hier ist Ihr Diplom als Ingenieur für Holzoberflächenveredelung. Haben Sie überhaupt eine Ahnung davon?«
    »Ich habe zwei Jahre als Volontär in einem Furnierwerk im Schwarzwald gearbeitet.«
    Alajew nickte zufrieden. »Hier sind Impfscheine, die Sie für Sibirien brauchen. Hier ist Ihr Parteibuch der Kommunistischen Partei. Sie sind seit 1950 ordentliches Mitglied. Außerdem haben Sie noch sechs Bescheinigungen, daß Sie an parteiideologischen Schulungen und Lehrgängen der Polits teilgenommen haben.« Alajew lachte, als er Heller die Papiere hinüberschob. »Sie sind also ein Musterrusse, Pawel Konstantinowitsch. Gratuliere.«
    Heller nahm den Paß und las ihn durch.
    Geboren in Barabanowka, im Kreis Tschkalow, dem früheren zaristischen Orenburg. Unverheiratet.
    »Das Bild fehlt«, sagte Heller.
    Alajew nickte. »Wir fotografieren Sie morgen, Pawel Konstantinowitsch. Morgen abend
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