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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wir gewöhnt. Aber wie er es macht, das ist neu! Das soll unsere Nerven strapazieren. Das soll uns übereifrig und damit unvorsichtig machen.« Karpuschin hieb auf den Tisch. Sein runder Kopf war hochrot wie sein geliebter Schlips. »Sie irren!« brüllte er. »Und wenn ich ab jetzt nur noch für diesen Heller leben sollte – einen Karpuschin schafft man nicht auf solche Art!«
    Am dritten Tag wurde der ›Fall Heller‹ offiziell und politisch.
    Karpuschin sprach selbst bei der Deutschen Botschaft in der Großen Grusinischen Straße Nummer 17 vor. Zuerst konferierte er mit dem Botschaftsrat für konsularische Angelegenheiten, später auch mit dem deutschen Botschafter.
    Wie erwartet, wußte man auf deutscher Seite gar nichts. »Jeder kann in unserem Land hinreisen, wohin er will«, sagte man. »Wenn Herr Heller ein Visum für Moskau bekommen hat, ist alles in Ordnung.«
    »Aber er ist weg«, sagte Karpuschin mit mühsamer Haltung.
    »Das ist eine Angelegenheit der sowjetischen Polizei.« Der Botschaftsrat machte sich ein paar Notizen. »Wenn Ihre Vermutungen in bezug auf die Abartigkeit Hellers stimmen, um so mehr, Herr Oberst. Natürlich sind wir daran interessiert, daß der Fall sich bald aufklärt. Sehr daran interessiert. Wir werden in Deutschland ebenfalls Recherchen anstellen lassen und halten Sie auf dem laufenden.«
    Karpuschin verließ wütend die Deutsche Botschaft. Nichtssagende Reden, dachte er erbittert. Höflichkeit, bei der man die Stiefelspitze im Hintern spürt. Mein Gefühl hatte recht. Wieder einmal.
    Von diesem Augenblick an begann der stille Kampf der Abwehr in Ost und West.
    Major Bradcock in seinem Bauernhaus an der tschechischen Grenze rieb sich die Hände, als er aus dem Hauptquartier in Bonn vom Besuch Karpuschins in der Deutschen Botschaft erfuhr. Aus Moskau, von Alajew, hatte er noch keine Nachricht. Es war zu gefährlich. Die Funkabwehr tastete jede Frequenz, jede Welle ab. Die Kontaktmänner schwiegen. Aber was Bradcock aus Moskau über diesen Umweg erfuhr, war genug. Heller war gut angekommen. Nun hatte man Zeit. Viel Zeit.
    In diesen Tagen wurden in ganz Rußland über 200.000 Personen überprüft, die ihre Stellung wechselten. Dabei wurden 23 gesuchte Verbrecher gefaßt und verhaftet. Unter ihnen ein Mörder. Oberst Karpuschin warf die Meldungen wütend an die Wand.
    »Einen Heller brauche ich – oder wie er jetzt heißt! Gut denn, dreiundzwanzig Gauner haben wir! Aber dieser Heller ist gefährlicher als hundert Mörder! Er kann den Lebensnerv der Sowjetunion zernagen!«
    Karpuschin dachte dabei an die geheimen Raketenabschußbasen in Sibirien und Kasachstan. An die Abschußorte der Astronauten. An die geheimsten Labor für Treibstofforschung.
    Sein Gefühl trog ihn auch diesmal nicht.
    Genau einer dieser Orte war das Ziel Pawel Konstantinowitsch Semjonows, der einmal Franz Heller hieß.
    Am Sonntag gingen Alajew und Semjonow spazieren. Noch immer glühte der Himmel über Moskau. Zu Hunderttausenden strömten die Moskauer in die Strandbäder, in die riesigen, herrlichen Volksparks oder lagen entlang der Moskwa und der Kanäle unter schattigen Bäumen, fuhren in die Leninberge oder in die großen Wälder rund um Moskau.
    Auch Alajew und Semjonow wanderten durch den Dsershinski-Park für Kultur und Erholung, dann wollten sie in den Botanischen Garten gehen. Sie handelten nach einer alten Weisheit: Am sichersten ist der einzelne in der Menge. Wer im Strom von Tausenden harmlos spazierengeht, mit offenem Hemd und an einem Stangeneis lutschend, ist so unverdächtig wie jeder andere neben und vor ihm.
    Jekaterina war zu Hause geblieben. Sie hatte Angst. Alajew nannte sie ein blödes Vögelchen, überredete sie aber nicht, mitzugehen. »Frauen sollte man in großen Häusern sammeln und ab und zu, wenn's nötig ist, besuchen«, sagte er zu Semjonow. »Im Leben eines Mannes sind sie wie Bremsklötze, die eine Lokomotive ständig vor sich herschieben muß.«
    In den vergangenen Tagen hatte Semjonow eingehend alle Pläne studiert. Es waren Mikrofilme, die Alajew später auf ein Format von 20 x 30 vergrößerte. Die vier Bilderchen hatte Semjonow, als er noch Heller war, auf einfachste Art durch die Zollkontrolle gebracht: Mit Leukoplast hatte er die dünnen Zelluloidscheibchen an die Innenseite seiner Oberschenkel geklebt. Wer hätte jemals daran gedacht, einen westlichen Gast einer Leibesvisitation zu unterziehen?
    »Ich muß in das Gebiet von Komssa«, hatte Semjonow gesagt. »Hier, am
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