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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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denen auch den Paß weggenommen?« fragte Heller laut.
    »Ich weiß es nicht.« Marfa Babkinskaja sah an Heller vorbei. »Wenn Sie auswärts essen gehen, empfehle ich Ihnen das Restaurant Aragwi, Uliza Gorkowo sechs. Es gibt dort einen herrlichen Schaschlik, grusinischen Käse und den Trockenwein Chwantsch-Kara. Ich komme Sie um 20 Uhr abholen, Gospodin.«
    »Danke.« Heller wandte sich brüsk ab und ging zum Fahrstuhl. »Bis diese merkwürdige Behandlung eines Gastes geklärt ist, esse ich auf meinem Zimmer.«
    Er verabschiedete sich nicht von Marfa und zwang sich, beim Hinaufschweben im Fahrstuhl nicht durch die Scheibe zurückzublicken. Er war auch nicht mehr wütend, als er wußte, daß er dem Blick Marfas entronnen war. Ein fast ironisches Lächeln lag in seinen Mundwinkeln.
    Im dritten Stockwerk nahm ihn die Beschließerin Stupetka in Empfang, führte ihn zu seinem Zimmer, zeigte ihm, auf welchen Klingelknopf man drücken mußte, damit das Zimmermädchen, der Boy, der Etagenkellner, der Hausbursche oder sie selbst, Stupetka, kommen könnten, wenn der Herr Wünsche habe.
    »Den Schlüssel, mein Herr, geben Sie bitte bei mir ab, wenn Sie das Zimmer verlassen«, sagte die Stupetka, und ihr Blick überflog noch einmal das Wohnzimmer. Es roch nach Sauberkeit. Bohnerwachs aus Gorkij.
    »Ich bleibe.« Heller suchte in den Taschen nach seinen Kofferschlüsseln. »Ich möchte nicht gestört werden. Ich bin müde …«
    »Ich werde es dem Zimmermädchen sagen. Es braucht Ihr Bett nicht aufzudecken?«
    »Nein.«
    Heller verriegelte hinter der Stupetka die Tür und ließ sich aufseufzend in einen der tiefen, schweren Plüschsessel sinken. Er legte den Kopf in den Nacken, schloß die Augen und bedeckte sie mit beiden Händen.
    In Rußland! In Moskau! Der erste Tag einer unbekannten Zahl von Tagen.
    Es gab kein Zurück mehr. Nur noch ein Vorwärts.
    Das gefährlichste und doch so herbeigesehnte Abenteuer seines Lebens hatte begonnen …
    Am nächsten Morgen, 10 Uhr, wurde der Flur des dritten Stockwerkes für jeglichen Zutritt gesperrt. Auf der Treppe stand ein Milizposten. Der Fahrstuhl hielt auf dieser Etage nicht an und fuhr zum vierten Stockwerk durch. Im Zimmer der Stupetka hockten die Zimmermädchen und Etagenkellner, die Boys und der diensthabende Hausbursche. Sogar der Direktor des Moskwa lehnte etwas bleichgesichtig an der Wand und spielte nervös mit seinem Taschentuch. Marfa Babkinskaja saß auf einem Stuhl und starrte ins Leere.
    »Eine Schweinerei!« brüllte Oberst Karpuschin. Er rannte im Zimmer hin und her, warf eine Vase an die Wand und benahm sich ausgesprochen unfein. »Kann eine Armee von Aufpassern nicht einen einzigen Mann überwachen? Aber natürlich … wie soll man arbeiten können mit so viel Idioten!« Er blieb stehen und musterte die betretene Versammlung. »Keiner hat ihn gesehen! Nicht oben im Flur, nicht unten in der Halle, nicht auf der Treppe, nicht im Fahrstuhl. Ein Mensch kann sich doch nicht in Luft auflösen. Er kann doch nicht einfach weg sein! War wohl ein Zauberer, der gute Herr Heller? Sagte hupphupp, ich werde Luft, und entwich durchs Schlüsselloch!«
    Matweij Nikiforowitsch war in Fahrt. Sein Gefühl hatte ihn also nicht betrogen! Ausgelacht hatte man ihn, als er gestern noch sagte: »Brüderchen, ich ahne einen dicken Fisch an der Angel!« Und nun, jetzt, heute? Weg war er! Was nutzte jetzt das Schreien und Klagen, das Beteuern und Rechthaben? Ein Mann war in Moskau verschwunden. Ein Deutscher!
    Oberst Karpuschin wischte sich den Schweiß von der Stirn. Noch war der Fall intern in seiner Sektion III. Aber um die Mittagszeit mußte er den Rapport weitergeben ans Ministerium. Dann brach die Hölle los. Vom Kriegsministerium über die Abwehr West bis zum Innenministerium würde es heißen: Oberst Karpuschin hat versagt.
    Was geschehen war, so gegen 9.30 Uhr morgens, ist schnell erzählt.
    Marfa Babkinskaja erschien im Hotel Moskwa, um ihren Schützling abzuholen. Auf dem Programm stand eine Stadtrundfahrt mit dem Intourist-Omnibus. Ein Standardprogramm. Kremlbesichtigung, Roter Platz, Bolschoi-Theater, Puschkin-Museum, Lomonossow-Universität, die Stationen der Untergrundbahn, der größte Stolz Moskaus.
    »Er schläft noch«, sagte die Stupetka, als Marfa auf dem dritten Stockwerk erschien, weil sich auf einen Anruf durch das Haustelefon niemand meldete. »Er schläft wie ein Bär im Winter. Nicht mal gegessen hat er gestern abend.«
    Marfa Babkinskaja fand das im höchsten Grade
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