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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama
Autoren: Chris Cleave
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gesehen, wo die Lachse die Flüsse raufschwimmen, um dort zu laichen, und genauso sind auch diese Typen. Eines Morgens wachst du auf, und sie sind weg, und alles, was von ihnen bleibt, ist der schwache Geruch von Boss by Hugo Boss auf deinem guten T-Shirt und ein Starbucks, wo mal ein gutes altes Speiserestaurant gewesen ist.
    Mit an Jasper Blacks Tisch saßen 2 weitere Kerle, bei denen man kein Sherlock Holmes zu sein brauchte, um sie ebenfalls als ARMANI-FATZKES zu identifizieren. Ich schaute weiter Sky-TV, ohne sie anzusehen, aber ich spürte, dass sie mich über ihre Biergläser hinweg anstarrten und grinsten, weil ich ja so was von authentisch war für diese Gegend. So, als ob mein Nike-T-Shirt und die Jogginghose schon okay wären, auch wenn sie mich in einem Pearly-Queen-Outfit schöner gefunden hätten. Oder als die kleine Streichholzverkäuferin aus Oliver – Das Musical. Vielleicht, mit ein bisschen mehr Alkohol im Blut, hätten sie mit ihrem Foto-Handy ein Bild von mir gemacht und es ins Netz gestellt, auf einer dieser Seiten, von denen ich dir erzählt habe. Sie hielten sich für besonders schlau. Aber ich sage dir, Osama, von denen hättest du meinetwegen so viele in die Luft jagen können, wie du lustig bist, hier bei uns hätte ihnen keiner eine Träne nachgeweint.
    Na, jedenfalls steht Jasper Black vom Tisch auf und kommt zu mir rüber, und da gab es gleich mal die erste Überraschung. Normalerweise hätte ich so einem nämlich gesagt, er soll sich verpissen. Aber es fiel mir halt auf: Für einen ARMANI-FATZKEN hatte er echt schöne Augen. Ich meine, die meisten haben völlig tote Augen, so wie Jack Nicholson in Einer flog über das Kuckucksnest nach den Elektroschocks. Andere wiederum haben diesen hektischen Blick, als hätten sie einen Chinchilla im Arsch, so wie Hugh Grant in… na, in allen seinen Filmen. Aber Jasper Black war nicht so. Er hatte schöne Augen. Beinahe menschlich. Ich schaute aber stur weiter auf die Zeitlupenaufnahmen von Sky-TV. Ich wusste, es war gefährlich, Jasper Black anzusehen, zumindest das kannst du mir zugute halten.
    - Na, auch Fußballfan?, sagte Jasper Black.
    - Was meinst du?
    - Ich meine, dass du schön bist, sagte Jasper Black. Meine Freunde übrigens auch. Sie haben um zwanzig Pfund gewettet, dass ich es nicht schaffe, deinen Namen rauszukriegen. Ich mach dir einen Vorschlag: Du sagst mir, wie du heißt, dann teilen wir uns den Gewinn, und danach lasse ich dich in Ruhe.
    Er lächelte. Ich nicht.
    - Zwanzig Ocken?
    - Ja, sagte er. Zwanzig englische Pfund.
    - Jetzt pass mal auf, und ich sage das extra langsam zum Mitschreiben: Deine Freunde sind WICHSER.
    Jasper Black zuckte nicht mit der Wimper.
    - Dann hilf mir, ihnen die Kohle abzunehmen, sagte er. Die Hälfte für jeden. Zehn Pfund. Was meinst du?
    - Aber ich brauche keine zehn Pfund. Jasper Black hörte auf zu lächeln.
    - Natürlich nicht, sagte er. Ich auch nicht. Aber vielleicht können wir uns einfach unterhalten.
    - Ich bin verheiratet. Ich warte hier auf meinen Mann.
    Ich nahm meinen GT und hielt ihn so, dass Jasper Black meinen Ehering sehen konnte. Mein Ehering ist nicht einfach aus Silber, Osama, er ist aus Platin, ein Superteil. Mein Mann hat ihn selbst ausgesucht und einen vollen Monatslohn dafür hingelegt. Bei manchen Dingen darf man nicht knausern, hat er immer gesagt. Ich trage ihn noch immer, an einem kleinen Silberkettchen um den Hals. Er ist so breit wie die Startbahn 1 von Heathrow und leuchtet wie die Sonne, aber irgendwie sah Jasper Black das nicht.
    - Bist du allein hier?
    - Nein. Das heißt: ja. Ich sagte doch, ich warte auf meinen Mann, er ist Polizist, und er hat mich noch nie versetzt. Wir sind seit 4 Jahren und 7 Monaten verheiratet, wir haben einen Sohn von 4 Jahren und 3 Monaten, der immer noch mit seinem Stoffhasen schläft, und der Hase heißt Mr. Rabbit.
    - Alles in Ordnung mit dir? Du wirkst ein bisschen überspannt.
    - Über was?
    - Angespannt.
    - Tatsache? Und warum?
    - Na ja, sagte Jasper Black. Ich habe nur gefragt, ob du allein hier bist, und eine halbe Minute später weiß ich alles über dich außer dem Mädchennamen deiner Mutter.
    - Knowles.
    - Wie bitte?, sagte Jasper Black.
    - Knowles. Sie hieß Knowles. Aber so hieß sie immer, denn sie war nie mit meinem Vater verheiratet.
    - Oh, sagte er.
    - Entschuldige, ich weiß gar nicht, warum ich dir das alles erzähle. So was mache ich gewöhnlich nicht. Ich quatsche nicht irgendwelchen Leuten im Pub die Ohren zu.
    - Schon
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