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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama
Autoren: Chris Cleave
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gut. Wenn du reden willst, tu es doch einfach. Red’s dir von der Seele. Ich bin ein guter Zuhörer.
    - Sicher? Du siehst aus, als wärst du ganz nett, aber mein Mann arbeitet beim Sprengmittelräumdienst.
    - Wow, sagte Jasper Black. Wow, wow, wow. Aber eins nach dem anderen. Erst mal gehe ich zur Bar und hole uns was zu trinken. Und du atmest in der Zwischenzeit tief durch und zählst rückwärts von 10 bis 1, und wenn ich wieder da bin, erzählst du mir alles von Anfang an.
    - Okay.
    - Gut, sagte er. Was nimmst du?
    - Noch einen Gin Tonic, bitte.
    - GT, wird gemacht.
    - Letzte Bestellung, sagte der Wirt.
    Jasper Black ging also an die Bar, und seine 2 ARMANI-FATZKES standen auf und gingen aufs Klo, und auch ich stand auf und schloss gleich hinter ihnen die Tür ab, weil sie die ganze Zeit so geglotzt und Blowjob-Gesten gemacht hatten, seit Jasper Black in meiner Nähe war. Das war kinderleicht, denn an der Tür zum Herrenklo war ein Vorhängeschloss, das brauchte ich nur zuzudrücken. Dann ging ich zurück an meinen Tisch und setzte mich, als könnte ich kein Wässerchen trüben. Der Wirt und die alten Knacker an der Bar, die alles gesehen hatten, stießen sich in die Seite und grinsten in meine Richtung, was an sich ganz schön war, wenn man mal von ihren Zähnen absah. Die nämlich erinnerten mehr an einen Horrorfilm, ich sag mal so: DIE NACHT DER GRINSENDEN RENTNER. Als Jasper Black mit den Gläsern von der Bar zurückkam, bemerkte er, dass seine Kumpels nicht mehr da waren, und sah mich fragend an.
    - Nanu, wo sind sie denn hin?
    - Sie sind einander in den Arsch gekrochen. Schade, dass du das verpasst hast. Es war die Schau.
    Jasper Black sah mich an und runzelte die Stirn. Achselzuckend setzte er sich. Dann nippten wir erst mal nur an unseren Drinks. Wir sahen uns nicht an, starrten nur auf unsere Gläser, so wie 2 Leute eben, die sich unter 25 Minuten kennen oder über 25 Jahre. Ich starrte auf Jasper Blacks Bier, und Jasper Black starrte auf meinen GT, und nach einer Weile bollerte es von innen gegen die Klotür. Offenbar hatten seine Kumpels inzwischen bemerkt, dass sie eingeschlossen waren. Das Bollern wurde immer lauter. Jetzt hätte man ja gedacht, wenigstens der Wirt würde sie wieder rauslassen, aber Pustekuchen. Hier bei uns im East End, Osama, läuft das nämlich nicht so. Überhaupt gibt es zwischen Bethnal Green und Shoreditch Geheimnisse, da würden deine Propheten ohne Ende den Kopf schütteln.
    Jasper Black nickte in Richtung Herrenklo, wo das Hämmern herkam.
    - Ach, da sind sie?
    - Sie haben angefangen.
    Jasper Black runzelte wieder die Stirn, dann lachte er.
    - Braves Mädchen, sagte er.
    - Ja, das bin ich. Also bilde dir nicht ein, zwischen uns liefe was.
    Jasper Black grinste.
    - Aber woher denn?
    - Mein Mann ist beim Sprengmittelräumdienst, er wurde vor hin zu einem Einsatz gerufen. Ich warte hier auf ihn.
    - Sprengmittelräumdienst, sagte Jasper Black. Das rote Kabel oder das grüne Kabel, ja? Spannender Job.
    Mir entfuhr ein Schrei, als er das mit dem roten oder grünen Kabel sagte, ich konnte nichts dagegen tun.
    - O Gott, sagte er. Tut mir Leid, das war nicht besonders feinfühlig von mir. Manchmal bin ich so ein Blödmann, ich könnte glatt in der Erde versinken.
    - Nicht deine Schuld. Aber heute Abend fühle ich mich selbst wie eine Bombe, die jeden Moment hochgehen kann. Alles die Nerven.
    - Armes Kind.
    Er legte die Hand auf meine, und mich durchfuhr ein Zittern.
    - Okay, Leute, trinkt aus, wir schließen, sagte der Wirt.
    Das war kein Witz. 5 Minuten später standen wir draußen vor dem Pub, und das Hämmern aus dem Klo wurde unhörbar, als der Wirt hinter uns abschloss.
    - Und was wird jetzt aus ihnen?, sagte Jasper Black.
    - Deinen Kumpels?
    - Ja.
    - Machst du dir Sorgen um sie?
    - Nein.
    - Na dann.
    Dann starrten wir uns gegenseitig auf die Schuhe. Es regnete. Wir sind hier nämlich in London, Osama. Und wenn ich mal nichts über das Wetter sage, dann stell dir einfach vor, es ist kalt und es regnet, damit liegst du selten verkehrt.
    - Alles okay mit dir?, sagte er. Wenn man dich so sieht, kriegt man ja Angst.
    -Angst? Um mich? Du kennst mich ja gar nicht. Kümmer dich um deine Sachen.
    - Weißt du, es gibt da so was, das nennt man Mitgefühl, sagte er. Ich meine, wir sind alle Menschen, oder? Und dir geht es nicht gut. Warum kann ich dich nicht wenigstens nach Hause begleiten?
    - Weil ich kein Haus habe, nur eine Wohnung.
    - Dann eben Wohnung.
    - Sie ist gleich hier um die
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