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Lieber Osama

Lieber Osama

Titel: Lieber Osama
Autoren: Chris Cleave
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Witz – die paar Schlägereien, wenn man bedenkt, dass ich mein Geld mit Bombenentschärfen verdiene.
    - Ich weiß. Aber das macht mich ja auch fickrig.
    - Hör mal, Schatz. Hooligans, das ist Vergangenheit. Heute ist so ein Spiel was für die ganze Familie. Außerdem bin ich Polizist, ich bringe einiges auf die Waage, und ich kann mich wehren.
    - Darüber mache ich mir ja auch keine Sorgen, sondern wegen dem Jungen. Er ist erst 4 Jahre und 3 Monate alt und schläft noch mit Mr. Rabbit.
    - Ach du lieber Himmel, sagte mein Mann. Du meinst, ich passe nicht auf ihn auf. Ich sag dir mal was: Wer den Jungen auch nur anfasst, ist tot.
    - Na schön. Aber fickrig macht es mich trotzdem.
    - Alles macht dich fickrig, sagte er.
    Und damit hatte er vollkommen Recht. Jawohl, ich war fickrig, denn ich spürte den Tod auf uns zukommen.
    An diesem Abend war mein Mann völlig fertig, nicht nur von seinem langen Arbeitstag, sondern vor allem deshalb, weil er bei einem Pferderennen in Doncaster 250 Pfund verblasen hatte. Vielleicht hätte ich ihn besser in Ruhe gelassen, statt ihn zu zwingen, mit mir zu schlafen, aber meine Nerven lagen blank, und ich dachte, vielleicht bringt mich ein bisschen Sex wieder runter. Doch nein, der Sex war elend schlecht, die Angst blieb, und mein Mann machte alles nur noch schlimmer. Ich spürte, wie die Panik über die verlorenen 250 Ocken ihm die Muskeln verkrampfte, als er mich umschlungen hielt. Danach lagen wir im Dunkeln und starrten an die Decke. Keiner von uns konnte schlafen. Die Nachbarn machten wieder mal Party.
    - Ich bring diese Arschlöcher noch um, sagte mein Mann. Die ganze Nacht nichts als saufen und brüllen. Die begreifen einfach nicht, dass hier auch normale Familien leben. Was für Musik läuft da eigentlich die ganze Zeit?
    - Das ist Beyonce.
    Ich kannte nämlich die Namen aller angesagten Stars, Osama, weil ich tagsüber so viel fernsah.
    - Ich meine nicht, von wem, sagte mein Mann. Sondern was für eine Musik das sein soll?
    - R&B.
    - Quatsch, das ist nichts als verdammter Lärm. Guck doch mal, die Bässe sind so laut, dass das Wasser im Glas Wellen schlägt.
    - Ich wollte, wir wären reich. Wenn wir reich wären, könnten wir in einem Haus wohnen, nicht hier in so einer Mietskaserne. Nur arme Leute müssen die Musik der Nachbarn ertragen.
    - Was redest du da?, sagte mein Mann. Wir sind nicht arm.
    - Ja, klar, aber schau uns doch an.
    - Fang nicht schon wieder damit an, sagte mein Mann.
    - Womit?
    - Mit dem Geld, sagte er. Meinst du, du müsstest mich daran erinnern?
    Ich seufzte und streichelte im Dunkeln sein Gesicht.
    - Nein, Schatz, tut mir leid.
    - Lass gut sein, sagte mein Mann. Mir tut’s leid. Du hast was Besseres verdient als mich.
    - Sag doch so was nicht. Ich bin so stolz auf dich. Du bist ein guter Mann. Und nie denkst du über deine Einsätze nach. Du gehst einfach los und rettest Menschenleben.
    - Klar, sagte mein Mann. Aber meine Nerven sind im Arsch, und wenn ich nach Hause komme, dröhnen mir dieselben Leute, die mir ihr Leben verdanken, die Ohren voll mit dieser… wie hieß sie noch gleich?
    - Beyonce.
    - Genau. Beyonce. Manchmal wünsch ich mir, wir ließen diese Bomben einfach hochgehen.
    Ich streichelte sein Haar. Er meinte das nicht so. Und so lagen wir weiter im Dunkeln, während ein Stockwerk höher die Musik wummerte. Mein Mann hatte die Augen geöffnet; schwitzend starrte er an die Decke.
    - Arschlöcher.
    - Schimpf nicht so.
    - Ich schimpfe, soviel ich verdammt noch mal will.
    - Aber das macht mich nervös.
    - Entspann dich.
    - Und das aus deinem Mund. Wer hat denn die 250 Pfund verloren? Kannst du mir erzählen, wie wir den Jungen ernähren und anziehen sollen, wenn du so weitermachst? Warum entspannst du dich nicht mal zur Abwechslung?
    Mein Mann sah mich an, als hätte ich ihn ins Gesicht geschlagen. Ich vermute mal, weil ich sonst nie so rumschreie. Aber ich verlor allmählich die Nerven, und Beyonces CRAZY RIGHT NOW, das von oben auf uns herunterdonnerte, dass einem die Zähne klingelten, machte es nicht besser.
    - Scheiße, ja, sagte mein Mann. Ich weiß auch, dass es so nicht weitergeht. Ich packe das nervlich nicht mehr, und du wirst vor lauter Sorge langsam hysterisch.
    - Ich bin nicht hysterisch.
    - Bist du doch.
    - NEIN, ICH BIN VERDAMMT NOCH MAL NICHT HYSTERISCH!
    Ich nahm mein Wasserglas und schmiss es gegen die Wand. Glasscherben und Wasser spritzten über den Teppich, und ich brach in Tränen aus. Mein Mann nahm mich in den Arm und
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