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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman
Autoren: Ken Follett
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PROLO G
    IN DER ERSTEN ZEIT nach meinem Einzug in High Glen House habe ich viel im Garten gearbeitet, und dabei fand ich den eisernen Halsring.
    Das Haus war arg baufällig und der Garten eine Wildnis. Zwanzig Jahre lang hatte hier eine kauzige alte Dame gelebt und der Fassade nicht einen Pinselstrich Farbe gegönnt. Nach ihrem Tod erstand ich Haus und Garten von ihrem Sohn, der in Kirkburn, der nächsten Stadt - ungefähr achtzig Kilometer von hier - eine Toyota-Niederlassung besitzt.
    Sie werden sich fragen, was einen Menschen wie mich dazu veranlaßt, achtzig Kilometer von der Zivilisation entfernt eine solche Bruchbude zu kaufen. Ich liebe ganz einfach dieses Tal. In den Wäldern ringsum gibt es scheues Wild, und oben auf dem Kamm des Berges nisten die Adler. Die Hälfte meiner Arbeitszeit draußen im Garten verging damit, daß ich, auf meinen Spaten gestützt, die blaugrünen Hänge betrachtete.
    Ich habe natürlich trotzdem einiges umgegraben. Das Toilettenhäuschen - ein fensterloser Bretterverschlag - war nicht gerade eine Augenweide, weshalb ich es hinter ein paar Sträuchern verbergen wollte. Beim Ausheben des Grabens stieß ich auf eine Kiste.
    Sie war nicht sehr groß - ungefähr so groß wie jene Kisten, in denen guter Wein verpackt wird, ein Dutzend Flaschen vielleicht - , und sie war obendrein völlig schmucklos, aus schlichtem Holz, das mit rostigen Nägeln zusammengehalten wurde. Ich brach sie mit meinem Spaten auf.
    Die Kiste enthielt zwei Gegenstände.
    Der eine war ein großes, altes Buch. Ich fand das sehr aufregend: Vielleicht war es eine Familienbibel mit einer interessanten, handschriftlichen Geschichte auf dem
    Vorsatzblatt Geburten, Eheschließungen, Sterbedaten von Menschen, die vor hundert Jahren in meinem Haus gelebt hatten… Doch zu meiner Enttäuschung mußte ich beim Aufschlagen des Buches feststellen, daß seine Seiten zu einer breiigen Masse zerfallen waren. Kein einziges Wort mehr war lesbar.
    Der zweite Gegenstand war ein Beutel aus Wachstuch. Er war ebenfalls verrottet und zerfiel, als ich ihn mit meinen Gartenhandschuhen berührte. Darin befand sich ein Eisenring mit einem Durchmesser von ungefähr fünfzehn Zentimetern. Er war trübe und fleckig, dank der Wachstuchhülle aber nicht verrostet.
    Der Ring war ziemlich primitiv gearbeitet, wahrscheinlich das Werk eines Dorfschmieds. Zunächst hielt ich ihn für ein Teil von einem Karren oder einem Pflug. Aber warum hatte man ihn dann sorgfältig in Wachstuch eingewickelt, damit er erhalten blieb? Der Ring hatte einen Sprung und war verbogen. Allmählich dämmerte es mir, und ich erkannte darin einen Halsring, wie man ihn Gefangenen umzulegen pflegte. Der Gefangene war entkommen, und bei seiner Befreiung war der Ring mit schwerem Schmiedewerkzeug gebrochen und verbogen worden.
    Ich nahm ihn mit ins Haus und begann ihn zu reinigen. Es war eine mühsame Arbeit, weshalb ich ihn über Nacht in Rost-Frei legte und erst am nächsten Vormittag weitermachte. Als ich ihn mit einem alten Lumpen polierte, kam eine Inschrift zum Vorschein.
    Es dauerte eine Weile, bis es mir gelang, die altmodische, verschnörkelte Schrift zu entziffern. Der Text lautete:

    Dieser Mann ist das Eigentum von
    SIR GEORGE JAMISSON aus Fife.
    A.D. 1767

    Jetzt liegt der Ring hier auf meinem Schreibtisch, gleich neben dem PC. Ich benütze ihn als Briefbeschwerer. Oft nehme ich ihn in die Hand, drehe ihn hin und her und lese die Inschrift nochmals durch. Wenn dieser Eisenring reden könnte, denke ich bei mir - was könnte er wohl erzählen?

ERSTER TEIL - SCHOTTLAND

Kapitel 1
    SCHNEE KRÖNTE DIE HÖHEN VON HIGH GLEN und lag in perlweißen Flecken auf den bewaldeten Hängen wie Geschmeide auf dem Mieder eines grünen Seidenkleids. Auf der Talsohle schlängelte sich ein hurtiger kleiner Fluß zwischen vereisten Felsen hindurch. Mit dem scharfen Wind, der von der Nordsee her über das Land heulte, fegten Graupel-und Hagelschauer heran.
    Die Zwillinge Malachi und Esther McAsh gingen an diesem Morgen über einen Zickzackpfad, der am östlichen Abhang der Schlucht entlang führte, zur Kirche. Malachi, den alle Mack nannten, trug einen karierten Umhang und Kniehosen aus Tweed, doch unterhalb der Knie waren seine Beine bloß. Die nackten Füße in den Holzschuhen waren eiskalt, aber Mack war jung und heißblütig und störte sich daran nicht.
    Der Weg, den sie eingeschlagen hatten, war nicht der kürzeste zur Kirche, doch High Glen begeisterte ihn immer wieder. Die hohen
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