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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Boden abhob, wie sie flog und stieg und hinauf in den Sommerhimmel schoß.
    »Wir fliegen«, sagte Heppenrath und stieß ihn an.
    »Ich merke es … und nun seien Sie endlich still –«
    Die Stewardessen gingen herum und verteilten Illustrierte.
    Die Sowjetunion – heute.
    Bunte Bilder aus einem glücklichen Land.
    *
    Auf der Terrasse des Flughafenrestaurants standen, etwas abseits von den vielen Neugierigen, die das Landen und Aufsteigen der Flugzeuge beobachteten, Njuscha und Borja Ferapontowitsch. Sie drückten sich in eine schattige Ecke, und während Borja die linke Hand über die Augen gelegt hatte, denn die Sonne blendete stark, hielt er mit der rechten Njuscha fest, als sei sie ein Kind, das weglaufen könnte. Sie hatte das blonde Haar hochgesteckt und ein geblümtes Kopftuch darüber gebunden … ein Bauernmädchen wie Tausende andere, die jeden Tag hier auf dem Flugplatz standen und die silbernen Riesenvögel bewunderten, wie sie brüllend in den Himmel stießen und eine Fahne aus Rauch sie begleiteten.
    »Flug 7, Wolgograd-München, startet …«, sagte eine nüchterne weibliche Stimme aus den Lautsprechern.
    »Das ist er –«, stammelte Njuscha. Sie drückte sich an Borja, und er spürte, wie heftig sie zitterte. Er schielte zu ihr hin, aber ihre Augen weinten nicht mehr … groß, als schauten sie ein Wunder, sahen sie hinüber zu dem Flugzeug, dessen blitzender Leib sich der Sonne entgegenhob, träge und so langsam, als halte eine unsichtbare Kraft es auf der Erde zurück.
    »Ja, das ist er«, sagte Borja. Man kannte ihn nicht wieder … er hatte sich rasiert, denn mit einem so wilden Bart wagte selbst er es nicht, sich unter die gutgekleideten Menschen auf dem Flugplatz zu mischen. Jetzt sah er aus wie ein gütiges Väterchen, mit einer roten Knollennase, einem breiten Mund und einer faltendurchpflügten, gelblichen Haut. Seine Augen blinzelten, die Lider zuckten, und es war nicht allein die Sonne, die ihn so zucken ließ.
    »Er fliegt –«, sagte Njuscha leise. »Borjuschka … dort fliegt er –«
    »Ja, dort fliegt er …«
    Sie hoben die Köpfe und blickten dem schillernden Leib nach, und als das Flugzeug eine Schleife zog und noch einmal zurückkam, Wolgograd überflog, als könne es sich nicht von ihm und der Wolga trennen, da hoben sie die Hand und winkten hinauf, und Njuscha riß ihr Kopftuch vom Haar und schwenkte es, und als das Donnern der Motoren genau über ihr war, schrie sie mit aller Kraft: »Sascha! Sascha! Ich liebe dich! Ich liebe dich! Du bist immer bei mir … immer … immer …«
    Dann war er über sie hinweggeflogen, und die Maschine wurde kleiner und kleiner, wie ein Vögelchen mit silbernen Federn, und dann war sie nur noch ein Punkt, den der unendliche blaue Himmel aufsaugte wie einen Tautropfen.
    Borja wartete, bis Njuscha wieder den Kopf senkte. Sie band sich das Tuch wieder um und lächelte müde, als Borja ihre Hände ergriff und sie küßte, schweigend so wie früher die Kulaken die Hände ihrer Herrin küßten.
    »Wohin gehst du jetzt, Töchterchen?« fragte er.
    »Zurück nach Perjekopsskaja, Väterchen. Babukin wird mich abholen. Kommst du mit?«
    »Nein, Täubchen. Ich gehöre auf meinen Friedhof.«
    »Auch wir haben einen, hinter der Kirche …«
    »Und wann stirbt bei euch jemand? Vielleicht zehn im Jahr … das wird mir langweilig werden, Töchterchen.« Borja legte den Arm um ihre Schultern, und so verließen sie die Terrasse, kauften an einem Obststand eine Tüte Äpfel, setzten sich auf eine Bank und aßen sie auf. Der Lärm der Autos, Omnibusse und Menschen um sie herum störte sie nicht … wie am Rande des Feldes saßen sie da, wenn die Ernte im vollen Gange ist und man eine Pause einlegt, um zu verschnaufen. Dann lehnte sich Njuscha zurück, blickte in den wolkenlosen blauen Himmel, und die Erinnerung trug sie weg in das kleine Birkenwäldchen, auf dessen weichem Boden sie Sascha zum erstenmal geliebt hatte. Damals hatten sie einen Ring gefunden, den Trauring eines toten deutschen Soldaten, und sie hatte ihn behalten und versteckt. Später dachte er nicht mehr daran. Jetzt griff sie in ihr Kleid, holte zwischen ihren Brüsten einen kleinen Beutel hervor und öffnete ihn.
    »Ein goldener Ring«, sagte Borja verwundert. »Wem gehört er, Täubchen?«
    »Mir. Ich habe ihn von Sascha.« Sie hielt ihm den Ring hin und streckte die rechte Hand aus. »Streif ihn mir über, Borjuschka.«
    »Ich? Über den Finger? Wieso ich?«
    »Wer sollte es sonst tun? War
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