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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zerstörung ansehen. Man wäscht sich das Blut von den Händen und tötet dann weiter. Wird man denn wie aus der Vergangenheit lernen?«
    »Bodmar, wie kann ein Journalist, ein Mann jenes Berufsstandes, der von sich behauptet, er habe immer die Finger am Puls der Zeit, so primitiv und kindisch denken? Ich nehme an, Sie sind auch ein Befürworter der Abrüstung?«
    »Ja, natürlich.«
    »Natürlich ist das gar nicht.« Kallberg steckte sich eine Zigarette an, beugte sich vor, warf das Streichholz in den Aschenbecher und kam dabei der Pistolenmündung so nahe, daß er sie fast mit seiner Stirn berührte. »Wir rüsten ab, und die anderen fallen über uns her. Bodmar, vergessen Sie nicht: Auch wir Menschen sind nichts anderes als hochentwickelte Tiere. Nennen Sie mir im Tierreich eine einzige Gattung, die nicht für ihre Begriffe bewaffnet oder geschützt ist. Vom kleinsten Einsiedlerkrebs, der ein Schneckenhaus als Schutz mit sich herumschleppt, bis zum Elefanten mit seinen mächtigen Stoßzähnen, von der Seeanemone mit ihren giftigen Nesselfäden bis zum Panzernashorn … überall in der Natur trägt man Waffen. Überall verteidigt man sich, überall wird angegriffen. Ausgerechnet der Mensch, dieses Spaltprodukt des Affen, soll aus der Art fallen? Sagen Sie jetzt bitte nicht: Er kann es, weil sich in ihm die Intelligenz entwickelt hat. Bodmar … gerade diese Intelligenz ist es, die ihn zur Virtuosität des Vernichtens prädestiniert. Ein Löwe schlägt die Gazelle nur, wenn er Hunger hat … der Mensch aber ist immer und überall bereit zu töten, denn für ihn gibt es Gründe genug: Volk ohne Raum, Volk mit zuviel Raum, verschobenes Gleichgewicht, Neid auf den Erfolg der anderen, politische Ideologien, Massenwahn, Herrschaftsansprüche, Selbstüberschätzung … das ist eine Liste, die aus jeder Hirnkammer einen Vernichtungsanspruch herausholen kann. Unterbrechen Sie mich nicht, Bodmar, bitte. Sie können gleich antworten, wenn ich zu Ende bin. Was hat das alles mit Njuscha und mir zu tun, wollen Sie fragen, nicht wahr? Ich lese es Ihnen am Gesicht ab. Nichts – und alles. Nichts, weil Sie ein freies Individuum sind … alles, weil Sie Angehöriger eines Volkes sind, auf dessen Rücken zweimal und in Zukunft immer wieder die Querelen der Politiker mit Blut und Tränen ausgefochten werden. Wir sind die Pfanne, in die man alles haut, und unter unseren Hintern heizt man die Hölle an. Wir sind die Prügelknaben der Geschichte und sind es selbst schuld … schon die Germanen waren berühmt für ihren lauten Ton, wenn sie in die Kuhhörner bliesen. Verstehen Sie das?«
    »Nein. Ich blase in kein Kuhhorn.«
    »Aber tausend andere tun es, und sie übertönen Ihr dünnes Stimmchen, das ›Halt! Halt!‹ schreit. Der Krieg ist vor fünfundzwanzig Jahren zu Ende gegangen – aber leben wir in Frieden? Noch nie war eine Welt so bis an den Scheitel gerüstet wie heute. Noch nie wußte man so klar, daß ein neuer Krieg keine fünfundfünfzig Millionen Tote kostet wie der letzte, sondern die halbe Menschheit in die Luft jagt. Und trotzdem baut man weiter … Atomraketen, Atom-U-Boote, Atomzerstörer, Atombomber. In unterirdischen Gewölben lagern chemische Kampfmittel, die ganze Landstriche auslöschen können. Ein Heer von Agenten ist unterwegs, dem Gegner diese Geheimnisse abzujagen, um schneller, besser, perfekter im Töten zu werden. Und einer von diesen Jägern bin ich. Ab morgen werde ich Fjodor Alexejewitsch Prikow heißen und nach Moskau fahren. Und Sie haben das ermöglicht, Bodmar.«
    »Irrtum, Kallberg. Ich brauche nur den Zeigefinger zu krümmen, und alle Probleme sind gelöst.«
    »Welche Probleme? Ihre? Die fangen dann erst an. Es sei denn, Sie sind Anhänger eines langsamen Selbstmordes und berauschen sich an Ihrem eigenen Untergang. Ich bin ersetzbar … wenn ich ausfalle, sickern andere Kollegen ins Land. Bei Ihnen aber ist endgültig der Vorhang gefallen. Ob Sie morgen als Peter Kallberg zurück nach Deutschland fliegen oder als gehetzter Mörder durch Rußland trampen … Njuscha sehen Sie nicht wieder. Das wissen Sie so gut wie ich … nur sich eingestehen wollen Sie es nicht.« Kallberg erhob sich, drückte Bodmars Pistole zur Seite, ging zu einer Kommode und holte eine Flasche Rotwein aus der Schublade. Sie war schon angebrochen, und Kallberg schüttete zwei Gläser voll. Mit dem Wein in der Hand kam er zu Bodmar zurück. »Warum wollen Sie blind sein, wo Sie doch alles überklar sehen? Bodmar, Sie stehen
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