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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht ohne ein Wort gegangen sein …«
    »Wenig war's, Söhnchen. Geweint hat sie immer nur, und ich konnte sie nicht trösten. Womit sollte ich das auch? Recht hatte sie … das Leben mit dir war vorbei.«
    »Aber das ist doch Wahnsinn! Ich werde in Rußland bleiben und ein Russe sein –«
    »Das ist auch so ein Problem, Sascha … man kann es nicht so dahersagen wie ›Gib mir ein Gläschen Wodka‹.« Borja setzte sich auf die Bank und klemmte die Hände zwischen die Knie. Dabei schielte er zum Haupteingang. In einer halben Stunde begann die Arbeit der Beamten und der anderen Totengräber … eine kurze Zeit blieb nur noch, um einen Menschen zu überzeugen, daß er in eine falsche Richtung gelaufen war, auf einem Weg, der im Nichts endete. »Du bist mir wie ein Sohn«, sagte Borja. »Du weißt es. Ich liebe die Deutschen nicht, sie haben in meinem Leben genug Unheil angerichtet … aber bei dir habe ich es überwunden, daß du ein Deutscher bist. Schwer war das, Sascha, schwer … du kannst es nicht ermessen.«
    »Erzähle mir nicht von dir!« schrie Bodmar. Er umklammerte den Stiel des in den Baum gehauenen Spatens. »Wo ist Njuscha?«
    Borja schielte zu ihm hoch und blinzelte gegen die weißliche Morgensonne.
    »Sie liebt dich«, sagte er langsam. »O Gott, wie sie dich liebt … und deshalb ist sie fortgelaufen. ›Er soll mich nicht suchen‹ hat sie mir noch zugerufen. ›Er wird mich nie finden.‹ Und ich bin ihr nachgelaufen wie ein Hund und habe ihr nachgebrüllt: ›Njuscha! Täubchen! Ein Wort nur! Du mußt mit Sascha über alles sprechen! Du brichst ihm das Herz!‹ Aber sie lief weiter, heulte wie der Sturm um die verklebten Winterfenster, und ich konnte sie nicht mehr einholen, so wieselschnell war sie davon.«
    »Und vorher. Bevor sie weglief – was hat sie da gesagt?«
    »Daß sie dich liebt –«
    »Und weiter?«
    »Daß sie alles mitangehört hat, was der Deutsche mit dir gesprochen hat. Daß sie dich zwingen wollen, nach Deutschland zurückzukehren und dich dem KGB verraten, wenn du dich weigerst. Die ganze Nacht hat sie geweint … du hast es nicht gehört, du hast neben ihr geschlafen und geschnarcht. In der Morgendämmerung schlich sie dann zu mir – ich schlafe jetzt in Box 12, bei dem toten Mukinian, einem Möbelhändler –, setzte sich neben mich an den Sarg und sagte: ›Väterchen Borjuschka, ich habe es mir überlegt … er muß zurück in seine Heimat. Hier vernichten sie ihn gemeinsam … die Russen und die Deutschen … und wir können nicht vor allen davonlaufen, einmal ergreifen sie uns, und dieses Ende wäre schlimmer als jetzt, wo ich von ihm gehe. Heute werden wir es beide überleben … später nicht mehr.‹ – Ein kluges Weibchen, dachte ich mir, und das ist sie auch, Sascha, bei Gott! Kaum sprechen konnte sie vor Schluchzen, aber was sie sagte, hatte Sinn. Du mußt das zugeben, Söhnchen. Sei ehrlich –«
    »Wir wollten nach Sibirien. Wir wollten dort leben wie in einem Paradies.« Bodmar riß den Spaten aus dem Baum und hieb ihn in den weichen Boden. »Warum können zwei Menschen auf dieser großen Welt nicht glücklich sein? Ohne Politik, ohne Grenzen, ohne Völkerhaß, ohne die Schatten der Vergangenheit, ohne einen Paß … nur glücklich sein, weil sie Menschen sind und einander lieben? Warum ist das nicht möglich? Da schießt man Raketen zum Mond und erobert das Weltall … aber auf der Erde selbst ist nicht Platz für zwei Menschen, die zusammengehören. Borja –«
    »Söhnchen?«
    »Ich bleibe bei dir. Ich warte auf Njuscha …«
    »Es nützt nichts. Du wirst sie nie wiedersehen.«
    »Sie wird zurückkehren nach Perjekopsskaja. Wenn nicht heute, dann in drei Wochen, drei Monaten, drei Jahren. Darauf werde ich warten. Und wenn ich mir aus Treibholz und Schilf am Don eine Hütte baue … ich werde da sein, wenn Njuscha zurückkommt.«
    »Sie werden dir keine Zeit dazu lassen, Sascha. Am Dienstag holt das KGB dich ab.« Borja stopfte seine Pfeife, aber er wollte jetzt nicht rauchen. Er tat es nur, um seine Hände zu beschäftigen – sie zitterten. »Deine Deutschen haben es dir klar genug gesagt –«
    »Am Dienstag werde ich in der Steppe verschwunden sein.«
    »Das stimmt. Und es wird die Genossen vom KGB nicht sehr verwundern.« Borja umklammerte seine dicke Pfeife mit beiden Händen. »Sie werden mich dafür mitnehmen – das ist wenigstens ein kleiner Erfolg. Und ich werde nicht vor ihnen weglaufen, Söhnchen, meine Beine sind zu alt dazu. ›Du hattest
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