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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Kapitel 1
    enthält einen durchgeweichten Helden,
der seinem blinden Freund biologisch-dynamisches
Diebesgut unterjubelt und eine demografisch
interessante Familie kennen lernt.

    I ch schien die Nacht mit einem Gewaltmarsch über mehrere Distanzen verbracht zu haben, denn beim Erwachen waren Körper und Bett schweißgebadet. Fröstelnd lag ich eine Weile in meinem eigenen Tau und versuchte, mich an mein nächtliches Treiben zu erinnern. Doch ich fand keinen Grund für meinen vollverschweißten Zustand; die Träume, die ich erinnern konnte, waren weder sexueller noch bedrohlicher Natur gewesen, sondern im Gegenteil von einer geradezu empörenden Nichtigkeit. Das erinnerte mich wiederum an Mendelssohn, der von sich sagt,
er sei dankbar für jeden nicht gehabten Traum, denn er empfinde seine Tage als derart prall, dass er wenigstens des Nachts seine Ruhe haben wolle. Ich schnellte aus dem Bett, rannte ins Bad, wärmte meine abgesackte Kerntemperatur unter der heißen Dusche wieder auf und begab mich mit Mendelssohns Einkaufsliste in die Stadt.
    Schwungvoll und zu neunzig Prozent wieder aus original Lebensfreude bestehend, stemmte ich die Einkaufstüten auf Mendelssohns Küchentisch.
    Mendelssohn gab seinen Horchposten am gekippten Küchenfenster auf, zog seine Teleskopohren ein und zischte mich an: »Leise! Bei den Nachbarn rumpelt gerade der Haussegen!« Und wenn ich mich nicht sehr täuschte, entfuhr ihm sogar ein genießerisches Schmatzen. Ja, Herr Mendelssohn – seit seinem zwanzigsten Lebensjahr blind wie eine Kolonie Maulwürfe – hatte im Laufe der blinden Jahre das Gehör eines Luchses sowie gewisse Abhörtechniken entwickelt, die ihn zu einem Leben als Geheimagent befähigt hätten. Wir hatten schon oft und ernsthaft die Eröffnung einer kleinen, feinen Privatdetektei in Erwägung gezogen. Die entsprechenden Räumlichkeiten hätten wir ja schon, denn Mendelssohn hatte sich von seinem Cousin ein Erbe ausbezahlen lassen und damit ein wirklich schönes Stadthaus gekauft, das Makler mit solch schmierigen Formulierungen wie »ein Kleinod« oder »with standing« an den Neureichen zu bringen pflegen.
    Das Erdgeschoss bestand aus einem beeindruckend dunkel getäfelten Vestibül, von dem befensterte Schiebetüren links und rechts in große Räume führten. Und einer
kleinen Tür in die Küche. Aus den beiden Riesenräumen ließen sich im Handumdrehen echte Detektivbüros machen. Mit schweren Rollkasten-Schreibtischen, potthässlichen Onyx-Aschenbechern, die weniger nach Aschenbecher aussahen als vielmehr nach einem typischen »schweren stumpfen Gegenstand«. Nicht zu vergessen der notorische Garderobenständer, an dem pflichtgemäß ein Hut und ein Regenmantel zu hängen hatten. Ins Vestibül würden wir eine üppige Blondine setzen, die als Sekretärin über einen Vornamen wie »Lizzy« verfügen sollte.
    Im ersten Stock gab es ein Schlafzimmer, ein Gästezimmer, ein Zimmer für alles Mögliche (Asservaten?) und ein großes Bad, in dem sich locker eine Art »Labor« unterbringen ließe. Und in den beiden Mansarden unter dem Dach könnten wir obendrein ein paar Helfershelfer, Kronzeugen oder Leiharbeiter parken.
     
    Ich kannte diese Villa inzwischen besser als meine eigene schäbige Einraumbutze, denn ich hatte sie Mendelssohn vor der Kaufentscheidung Stein für Stein beschreiben müssen. Sehr zum Leidwesen des Maklers. Den ich mit einem besonderen Gespür dafür, wo ein Makler seine empfindlichen Weichteile hat, ausführlich gequält hatte: »Also, der Fußboden hier ist schlecht, schlecht, schlecht! Da musst du noch mal ordentlich reinstecken«, oder »Die Fenster sind natürlich der letzte Schrott. Das wird nicht billig!«, oder »Was essen Makler eigentlich zum Frühstück? Kreide? Pomade?«. Wie unschwer zu erkennen, zählen Makler zu meinen natürlichen Feinden. Ich verstehe nicht, warum
ein Typ in Ölanzug, mit Ölfrisur und Ölstimme einhunderttausend Euro dafür bekommt, dass er eine Tür aufschließt. Ich bin der Meinung, sämtliche Makler gehören erstens arbeitslos gemacht und dann zweitens in ein Resozialisierungsprogramm. Wo ihnen engagierte Sozialarbeiter das Maklervokabular austreiben sowie ein Gefühl für ehrliche, sinnvolle Arbeit vermitteln.
     
    Seit einer Woche gehörte dieses Kleinod/Schmuckstück/ Idyll nun Mendelssohn. Und überall standen noch immer pralle Umzugskisten, an denen er sich in regelmäßigen Abständen stieß und fluchte. Ein Grund dafür, dass ich ihm verbot, in diesem
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