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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Lebensmittelhysterie Rechnung und schiebe ihm nur Produkte unter, die seinem völlig überzogenen Hygienewahn gerecht werden: originalverpackt, gut verschweißt, unbedenklich und abwaschbar.
    Heute war es ein Büschel zart gefleckter Bio-Bananen.
    Auch sie passierten anstandslos Mendelssohns Qualitätskontrolle.
     
    D abei wären wir beide ein Container-Dream-Team: Ich hänge kopfüber in den Tonnen, während Mendelssohn an der Hintertüre lauscht und beim ersten Geräusch Alarm gibt, so dass ich nie mehr – wie schon mehrmals geschehen – von einem Mittagspäuschen machenden oder heimlich rauchenden oder mit vollem Abfalleimer anmarschierenden Verkäufer erwischt würde, der irritiert
und angewidert meinen über dem Tonnenrand hin- und herzappelnden Bürzel betrachtet, während ich versuche, ein so solides Gesicht zu machen wie ein Zehnjähriger beim Nachsitzen.
     
    A us dem Nachbargarten war nun nichts mehr zu hören. Man hatte die Beziehungsdiskussion wohl nach Innen verlegt.
    »Wir sollten rübergehen und uns vorstellen. Von wegen guter Ton und Kinderstube, nicht wahr!«
    »Wenn′s danach ginge, müssten DIE zu DIR kommen, mit Brot und Salz.« Ich verräumte Mendelssohns ekelhafte Müslischnitten und wurde nachdenklich: »Wieso eigentlich Brot und Salz? Es könnte ja theoretisch auch eine Wurstsemmel sein. Oder ein kaltes Schnitzel mit Kartoffelsalat.«
    Mendelssohn, wie aus der Pistole geschossen: »Brot, damit nie Hunger herrscht, und Salz für den Wohlstand. Weil das früher so teuer war wie Gold.« Und er fügte träumerisch hinzu: »Damals hätte mich die Villa maximal ein Viertelpfund Salz gekostet. Und für ein Päckchen Jodsalz hätte der Makler wahrscheinlich die Nachbarn noch obendrauf gelegt.« Er dachte einen Moment nach: »Außerdem muss es auch was Christliches sein. In der Bibel steht ja schließlich: ›Ich bin das Brot des Lebens und ihr seid das Salz der Erde.‹«
    Mendelssohn kennt sich – obwohl aus einem unchristlichen Haushalt stammend – wie kein Zweiter aus mit dem Christentum, und sein bevorzugtes Gebiet, ja, geradezu
sein Steckenpferd, ist der Katholizismus. Schon als Kind liebte er den Pomp eines Hochamtes, die schicken Verkleidungen von Priestern und Messdienern, die nudeldick aus den Pfeifen quellenden Orgeltöne, den Weihrauch, der einem Kind schon mal einer Dröhnung gleich ins Hirn fahren kann, so dass sich im überforderten Kinderorganismus Eindrücke bester Art ein Stelldichein geben: Es ist laut, es ist bunt, es ist feierlich, und man ist high.
    Heutzutage lauscht er an hohen Feiertagen gerne den Übertragungen aus dem Vatikan; in einer grotesken Mischung aus Faszination und Ekel, denn noch immer liebt er die Rituale, dies Klingeln und Hinknien, Aufstehen unter erneutem Gebimmel, während seine Erwachsenenratio die bewusstseinsverengenden Grundsätze der hl. Römischen Kirche verachtet …
    »Nee«, sagte Mendelssohn, »die Nachbarn sind zu jung für Brot und Salz. Das kennen die garantiert nicht. Wir gehen mal rüber. Dann können wir nachprüfen, ob ich richtig gehört habe. Übrigens: Wenn ich richtig gehört habe, dann wohnt links von uns niemand. Kein Ton. Vielleicht ein Geisterhaus?«
    Das Haus zu unserer Linken war ebenfalls eine einstöckige Villa und ebenfalls von diesem typischen Hamburger Weiß; die ganze mit Kopfstein gepflasterte Straße entlang zogen sich weiße Häuser, die allesamt trotz ihrer Schlichtheit einen so profunden Wohlstand ausstrahlten, wie es wohl nur hanseatische Gebäude zuwege bringen.
    Wir gingen in das nach links weisende Zimmer; Mendelssohn lauschte, ich schaute. Das Geisterhaus sah tatsächlich
unbewohnt aus. Doch plötzlich hielt vor dem Gartentor ein Auto. Genauer gesagt: ein Cabriolet. Und nicht nur Mendelssohn zuckte zusammen, auch mir gingen die aus dem offenen Wagen aufsteigenden Geräusche durch und durch: Da hörte einer in der Lautstärke eines aus dem Ruder laufenden Hochamtes inklusive kaputter Orgel eine gottverdammte Rap-Musik! Die Bässe wummerten in unser Zimmer hinein, Sprachfetzen klatschten uns um die Ohren, der Motor brummte, während der Chauffeur keine Anstalten machte, auszusteigen und/ oder Ruhe zu geben, sondern im Gegenteil sogar zur Krönung noch drei lange Huptöne über die Kakophonie legte. »Arschloch!«, rief ich erzürnt. Der Chauffeur rührte sich nur einmal, und zwar um erneut zu hupen. Mein Blutdruck schoss in die Höh′, meine Hände ballten sich zu Fäusten: Solcherart Lärm tut mir fast
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