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Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie

Titel: Du sollst eventuell nicht töten - eine rabenschwarze Komödie
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Sommer kurze Hosen zu tragen, denn seine Beine sahen so schillernd aus, als wäre er den Jakobsweg auf Knien durchgerutscht, eisern und in Todesverachtung von Blankenese bis zum bitteren Santiago de Compostela.
     
    Unser vorläufiges Hauptquartier hatten wir in der Küche aufgeschlagen. Eine große, fast herrschaftliche Küche, in der etwa fünf Köche plus Sous-Chefs plus Küchenjungen ein Bankett hätten herrichten können, ohne sich gegenseitig in die Wachteln oder das Flammerie zu laufen. Schränke, Tische, Kacheln – alles von blendendem Weiß. Eine kleine Treppe führte in den Garten, der bei mir tatsächlich so etwas Unappetitliches wie »Sozialneid« aufkommen ließ: alter, hoher Baumbestand, opulent, aber licht genug, um die Sonne auf das Gras zu lassen; sowie die Strahlen durch die Blätter schimmerten, konnte man
meinen, man schaue in ein ruhiges grünes Schwimmbassin. Das Bassin wurde begrenzt durch eine circa ein Meter achtzig hohe, schmale Backsteinwand. Dahinter lag Mendelssohns aktuelles Zielobjekt: die Nachbarn.
    Mendelssohn war mir gegenüber hier eindeutig im Vorteil, da es nix zu sehen, aber alles zu hören gab.
     
    Ich begann, Mendelssohns Einkäufe aus- und einzuräumen, während er seine Trichter wieder in Richtung Nachbarschaft ausfuhr. Dann klärte er mich auf: »Also: Da wohnen schätzungsweise drei Personen. Mindestens zwei weibliche und eine männliche. Die männliche hat übrigens eine sehr hübsche Stimme. Sonor, aber trotzdem jugendlich.«
    »Soll ich mich über die Mauer hängen und ihn dir beschreiben?«
    »Das wäre zu auffällig«, sagte Mendelssohn ernsthaft. Wenn es um eventuell attraktive Männer geht, versteht Mendelssohn keinen Spaß.
    »Und was ist mit dem Haussegen?«, fragte ich und stopfte Mendelssohns Müslivorräte in die dickwandigen Glasschütten des alten Hängeschranks.
    »Es geht um … soviel ich mitbekommen habe: eine Beziehung.«
    »Wie langweilig! Gibt es was langweiligeres, als anderer Leute Beziehung?«
    »Das klingt nicht nach langweiliger Beziehung! Eher nach ziemlich bewegter! Glaube ich jedenfalls. Immerhin sind sich alle darüber einig, dass diese Beziehung gelöst
werden muss. Streit herrscht allerdings über die Frage, WIE sie am besten zu zerstören sei.«
    »Wir sollten Cromwell anrufen.« Mein bester Freund – noch vor Mendelssohn – ist ein herrlich beziehungsgestörter Mensch. Er ist ein Paarungsschreck par excellence, ein wahrer Liebschaftsterminator; er sollte eigentlich T-Shirts mit Aufdrucken wie: »Es ist nicht, was du denkst!«, tragen. Nachdem ich jahrelang sein Balz- und Trennungsverhalten studiert habe, kann ich behaupten: Für eine ordentlich gescheiterte Beziehung rutscht Cromwell auf den Knien von Blankenese nach Santiago.
     
    M endelssohn begann, prüfend die Einkäufe abzutasten. »Da ist aber nichts aus einem Container dabei?«, fragte er streng. »Nein, nein!«, log ich mit fester Stimme.
    Ich gehöre nämlich seit neuestem zu der »Generation Container«: Ich betrete kaum noch Geschäfte durch die Vordertür, sondern radle direkt hinter die Supermärkte und prüfe dort die Abfalltonnen. Meistens sehr erfolgreich. Der Laie ahnt ja nicht, WAS alles weggeworfen wird: angequetschtes Obst, leicht deformiertes Gemüse, just abgelaufene Molkereiprodukte – und die ganze Pracht in absolut genießbarem Zustand und kaum gesundheitsschädlich! Einerseits ist es ganz klar eine nationale Schande, was unsere saubere Gesellschaft angesichts des weltweiten Hungers da so täglich auf den Müll haut. Andererseits habe ich es immerhin geschafft, mich in klammen Monaten völlig kostenlos davon zu ernähren, und dies noch nicht mal schlecht: Da gibt es teure Joghurt-Drinks, die ich mir im echten
Leben nie leisten könnte, Paprika, Möhren, Salatköpfe satt, Marzipan (zugegeben etwas trocken), Lachs, Nudelgerichte, wunderbar zähe Mohrenköpfe, und einmal kam ich mit vierzig intakten Bio-Eiern nach Hause. So sehe ich mich weniger als einen dreckigen Tonnenwühler, sondern vielmehr als einen Helden des Überflusses: Meinetwegen ist so manche Möhre, manche Paprika und mancher Handkäse wenigstens nicht umsonst gestorben!
    Da die Märkte ihren Ausschuss meist palettenweise in die Tonne werfen, gibt es von einem Produkt immer sehr viel mehr, als ich für den Eigenbedarf mitnehmen könnte. Und so juble ich Mendelssohn bisweilen etwas Gratisgemüse oder sauber eingeschweißten Käse und dergleichen unter. Dabei trage ich aber immer seiner
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