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Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Die Unbekannten: Roman (German Edition)

Titel: Die Unbekannten: Roman (German Edition)
Autoren: Dean Koontz
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1
    Einen Moment vor der Begegnung überkam Grady Adams das seltsame Gefühl, er und Merlin seien nicht allein.
    Grady und der Hund gingen täglich bei jedem Wetter zwei Stunden durch Wälder und Wiesen spazieren. In der Wildnis musste er an nichts anderes denken als an die Gerüche, die Geräusche und die Oberflächenbeschaffenheit der Natur, an das Spiel von Licht und Schatten, an den Weg, der vor ihnen lag, und den Heimweg.
    Generationen von Rotwild hatten diesen Pfad durch den Wald zu einer Wiese ausgetreten, auf der Gras und duftender Klee wuchsen.
    Merlin lief voraus, aber anscheinend waren ihm die Spuren der Rehe und die Möglichkeit, einen Blick auf ihre weißen Spiegel zu erhaschen, gleichgültig. Er war ein drei Jahre alter Irischer Wolfshund mit einem Gewicht von zweiundsiebzig Kilogramm, maß vom Widerrist bis zum Boden neunzig Zentimeter und trug den Kopf auf einem muskulösen Hals noch ein Stückchen höher.
    Das raue Fell des Hundes war eine Mischung aus Aschgrau und dunklerem Anthrazit. Im Schatten der immergrünen Bäume schien auch er manchmal selbst nur ein Schatten zu sein, aber keiner, der an seinen Ursprung gebunden war.
    Als sich der Pfad dem Waldrand näherte, wirkte der Sonnenschein jenseits der Bäume plötzlich eigenartig.
Das Licht nahm eine kupferne Färbung an, als sei die Welt verhext und hätte sich Stunden vor der Zeit dem Sonnenuntergang entgegengedreht. Die Nachmittagssonne schien mit einem funkelnden Paillettenschimmer auf die Wiese.
    Als Merlin zwischen zwei Kiefern auf das offene Gelände hinaustrat, wurde Grady von einer unbestimmbaren Furcht gepackt, der Vorahnung einer bevorstehenden Kontaktaufnahme. Er zögerte im Dunkel des Waldes, bevor er dem Hund folgte.
    Auf der Lichtung hatte das Licht weder den kupfernen Schimmer noch den Paillettenglanz, den es aufzuweisen schien, solange man zwischen den Bäumen stand. Der blassblaue Himmelsbogen und das smaragdgrüne Rund des Waldes fassten die Wiese ein.
    Keine Brise versetzte das goldene Gras in Bewegung, und der späte Septembertag war so still wie ein unterirdisches Gewölbe.
    Merlin stand mit erhobenem Kopf regungslos da, den wachsamen Blick gebannt auf etwas Fernes in der Wiese gerichtet. Wolfshunden sagt man nach, sie hätten schärfere Augen als jede andere Hunderasse.
    Gradys Nacken prickelte immer noch. Die Vorstellung, etwas Unheimliches würde sich ereignen, ließ ihn nicht los. Er fragte sich, ob dieses Gefühl seiner eigenen Intuition entsprang oder ob es sein konnte, dass es durch die Anspannung des Hundes ausgelöst worden war.
    Grady blieb neben dem imposanten Hund stehen und hielt Ausschau danach, was sein Begleiter sah. Er musterte aufmerksam das Gelände, das sich nach Süden hin leicht
abschüssig bis zu einem weiteren großflächigen Waldstück erstreckte. Nichts rührte sich … bis sich doch etwas rührte.
    Eine weiße Gestalt, geschmeidig und flink. Und dann noch eine.
    Die beiden Tiere schienen nicht zielgerichtet, sondern infolge ihres Spiels die Wiese heraufzukommen. Sie jagten einander, purzelten hin, rollten sich herum, sprangen wieder auf und forderten sich mit einer übermütigen Ausgelassenheit, die man nicht mit Kampfeslust verwechseln konnte, von neuem gegenseitig heraus.
    Dort, wo das Gras höher wuchs, verschwanden sie beinah, aber oft waren sie voll und ganz zu sehen. Da sie jedoch ständig in Bewegung waren, ließ sich ihre exakte Erscheinung nur schwer bestimmen.
    Ihr Fell war komplett weiß. Sie mochten um die fünfundzwanzig Kilo wiegen, vielleicht etwas mehr oder weniger, und sie hatten die Größe von mittelgroßen Hunden. Aber es waren keine Hunde.
    Sie schienen so gelenkig und schnell wie Katzen zu sein. Aber es waren auch keine Katzen.
    Obwohl er bis zu seinem siebzehnten Lebensjahr in diesen Bergen gelebt hatte und vor vier Jahren im Alter von zweiunddreißig zurückgekehrt war, hatte Grady solche Geschöpfe noch nie gesehen.
    Merlins kräftiger Körper war angespannt, während er die verspielten Wesen beobachtete.
    Da er ihn schon als Welpen bekommen, ihn großgezogen und die letzten drei Jahre fast ausschließlich in Gesellschaft des Hundes verbracht hatte, kannte Grady ihn
gut genug, um sich ein Bild von seinen Gefühlen und seiner Gemütsverfassung zu machen. Merlin war fasziniert, stand aber auch vor einem Rätsel, und seine Verwirrung ließ ihn auf der Hut sein.
    Die unbekannten Wesen waren groß genug, um beängstigende Raubtiere abzugeben, falls sie Krallen und scharfe Zähne
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