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Flesh Gothic (German Edition)

Flesh Gothic (German Edition)

Titel: Flesh Gothic (German Edition)
Autoren: Edward Lee
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Prolog
    »Du hättest mich einfach töten sollen«, sagte das Mädchen.
    Der Mann zeigte sich geschockt. Diese seltsamen Worte waren die ersten, die sie überhaupt gesprochen hatte, seit ...
    ... neun Monaten, erinnerte er sich.
    »Und ich weiß, dass du darüber nachgedacht hast«, meldete sie sich von ihrem Platz auf dem schäbigen Bett. Sie senkte die Stimme. »Ich weiß, dass du diese Pistole besitzt. Und ich weiß, dass du mehr als einmal ernsthaft in Versuchung warst, mir einfach eine Kugel in den Kopf und in den Bauch zu jagen ... und dann abzuhauen.«
    Stimmte das wirklich? Er hielt sich eigentlich für einen Menschen, der sich nichts vormachte. Andere konnte man anlügen, sich selbst trickste man so schnell nicht aus. Die Lügen holten einen immer ein.
    Mein Gott. Ich hoffe, das stimmt nicht.
    Er hatte es doch so weit gebracht und es so lange geschafft, sie nicht zu töten, oder?
    Sie bot einen schändlich erotischen Anblick. Lässig lag sie auf dem Bett, ihr 19-jähriges Fleisch jung und glänzend. Sie trug nur einen Slip und einen BH. Er konnte sehen, wie der üppige Wuchs ihrer Schamhaare gegen den Stoff des Höschens drückte. Der BH saß durch die vorgeburtliche Zusatzfülle ihrer Brüste entschieden zu eng – ihr Busen drohte die Nähte zu sprengen. Über dem basketballgroßen Bauch war die Haut zum Zerreißen gespannt, der Nabel ragte hervor wie eine kleine weiße Haselnuss.
    Der Mann wandte den Blick von diesem verlockenden Bild ab, wie er es all die Monate getan hatte.
    Er sprach zur Wand. »Du redest jetzt. Das ist wunderbar. Erinnerst du dich, wann du zuletzt geredet hast?«
    »Nein.«
    »Nach all der Zeit ... was hast du zu sagen? Was hast du mir zu erzählen?«
    »Nichts«, erwiderte sie.
    »Nichts?«
    »Alles, woran ich mich erinnere, ist das Haus.«
    Quer durch das Land hatte er sie mitgenommen. In anonymen Bussen, durch windige Motels. Schon bevor sich ihre Schwangerschaft abzeichnete, war ihm in ihrer Gegenwart unwohl gewesen. Wegen der Blicke, die ihm die Leute zuwarfen. Die Angestellten an der Rezeption zogen mitten in der Nacht ihre Augenbrauen hoch, als wollten sie zu ihm sagen: Was treibt ein Mann in Ihrem Alter mit einem Mädchen, das noch keine 20 ist? Warum bringen Sie die Kleine an einen solchen Ort, noch dazu um diese Uhrzeit?
    Derzeit hatten sie sich in Seattle im Aurora Motel einquartiert. Ihr Zimmer sah aus, als sei es gerade mal das wert, was er dafür bezahlte: 25,95 Dollar pro Übernachtung. Er wusste, dass er auf Anonymität setzen musste, auf Orte, an denen es niemanden interessierte, welchen Namen man beim Check-in auf das Formular kritzelte. Dort wollte man nur eins: Bargeld. Mittlerweile waren die Blicke schlimmer geworden. Die Leute glotzten ihn an, als wäre er ein Perverser übelster Sorte. Eines Nachts vor nicht allzu langer Zeit hatte er für sie beide ein Zimmer in Needles, Kalifornien, gemietet. Der Laden erwies sich als Absteige für Säufer, Prostituierte und Junkies. Er hatte gerade ein Soda aus dem Getränkeautomaten gezogen, als ein ungepflegter, kahlköpfiger Mann im zerknitterten Anzug auf ihn zukam und sagte: »He, Mann. Ich hab die süße schwangere Mieze gesehen, die du mitgebracht hast. Weißt du, da steh ich auch drauf. Was kostet die Stunde?«
    »Hau ab oder ich schieß dir ins Gesicht ...«
    Die Antwort hatte gereicht.
    Nach allem, was er inzwischen gesehen hatte, ekelte ihn die Welt zutiefst an.
    Die Welt, dachte er nun.
    Er sah das Mädchen an.
    Die ganze Welt ...
    »Tut mir leid, dass es hier so schäbig ist«, sagte er, während er ihre Kleider auf dem mit Brandflecken übersäten Brett bügelte, das er im Schrank entdeckt hatte.
    »Es ist überall schäbig gewesen.« Lächelte sie etwa? Auch das hatte sie seit neun Monaten nicht mehr getan. »Aber ich verstehe das. Du redest viel mit dir selbst. Du kannst deine Kreditkarte nicht benutzen.«
    »Stimmt.«
    »Und du drehst jeden Cent zweimal um.«
    Er lächelte über einem Hemd. »Das auch.«
    »Du versteckst mich, nicht wahr?«
    Das Lächeln des Mannes erstarb. »Ja.«
    »Vor ihnen, richtig? Vor den Leuten aus dem Haus.«
    Der Mann hatte nie im Bett bei ihr geschlafen, obwohl er sicher war, dass nichts passieren würde. Er hatte nie etwas mit ihr gemacht, nicht einmal daran gedacht. Überhaupt nie etwas Falsches getan ...
    ... außer sie zu entführen.
    Der Mann schlief immer auf der Couch – oder auf dem Boden, wenn es keine Couch gab. Im Zimmer, das er in Seattle ergattert hatte, stand eine
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