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Flesh Gothic (German Edition)

Flesh Gothic (German Edition)

Titel: Flesh Gothic (German Edition)
Autoren: Edward Lee
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Ausziehcouch – ein Luxus in seinen Augen. Die Federn drohten, ihn durch die Matratze aufzuspießen, außerdem stank das verdammte Ding. Gott sei Dank bin ich nicht pingelig, dachte er. In der ersten Nacht lag er wach und lauschte dem Lärm des Verkehrs auf der Hauptstraße und dem Regen. Die Vorhänge hatte er zugezogen. Im Zimmer war es stockfinster und einen Moment lang ließ ihn die schiere Schwärze an die Vergangenheit denken, an das Haus. Sofern das Böse eine Farbe besaß, wusste er, welche.
    Trotz seiner Erschöpfung schlief er nicht. Stattdessen lag er auf der abgehalfterten Matratze und starrte an die Decke. Vom Bett hörte er das rhythmische Atmen des Mädchens, das fast hypnotisch wirkte.
    Dann setzte die Atmung aus.
    Die Augen des Mannes weiteten sich. Er wollte sich gerade aufraffen und nach ihr sehen, doch dann drang rau ihre Stimme aus der Dunkelheit.
    »Ich will, dass du mich tötest. Bitte tu es. Warte, bis ich wieder eingeschlafen bin. Und dann tu es.«
    In der nächsten Nacht stieß sie im Schlaf ein einziges Wort hervor.
    »Belarius.«
    »Blondes Haar funktioniert bei dir nicht«, stellte sie am nächsten Morgen fest. Er hatte Kaffee, Limo und Donuts vom 7-Eleven, mehrere Blocks den Hang hinunter, geholt. Sie aß gemächlich auf dem Bett, sah fern und kam ihm trotz der vollen Brüste und dem aufgeblähten Bauch wie ein unreifes Kind vor.
    »Warum nicht?«, fragte er und drehte sich um.
    »Du siehst aus wie jemand, der versucht, sich zu verkleiden. Die Haarfarbe wirkt falsch. Sie ist viel zu hell.«
    Er betrachtete sich im Spiegel. »Wirklich?«
    »Ja.«
    Der Mann seufzte. Er zog seine Jacke an. »Ich bin bald wieder da.«
    »Wohin gehst du?«
    »Mir eine andere Tönung besorgen.«
    Würden sie ihm wirklich folgen? Vielleicht sind wir beide bloß paranoid, überlegte er. Der Bus bahnte sich den Weg durch den Regen. Durch das mit Tropfen übersäte Fenster sah er eintönige graue Gebäude. Ein Mann mit Brille und ein anderer mit einem Schutzhelm schauten gleichzeitig zu ihm. Ja, ich bin bloß paranoid. Oder vielleicht hat sie recht. Ich habe die falsche Haarfarbe benutzt und sehe jetzt aus wie ein Pferdearsch . Einige Teenager hinten im Bus wurden laut und benahmen sich mächtig daneben, aber er bekam es kaum mit. Dann stand ein Schwarzer auf, der vorne saß, grinste ihn an und sagte: »Da waren Lou Rawls und ich. Sie haben uns in diesen Käfig gesteckt und uns nur Milchflaschen und Suppe gegeben.« Dann öffneten sich die Türen und er stieg aus.
    Am liebsten hätte er gelacht. In Großstädten gibt es eine Menge Obdachlose, eine Menge Schizophrene . Traurig.
    An der nächsten Haltestelle stolperte ein Blinder die Treppen herauf, der sich mit blicklosen Augen und einem Stock vortastete. Er setzte sich direkt neben ihn.
    »Hallo«, sagte der Blinde und starrte geradeaus.
    »Hi.«
    »Ich ... besitze übernatürliche Kräfte. Glauben Sie mir?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    »Glauben Sie, dass es Menschen mit solchen Kräften gibt?«
    »Ja. Daran glaube ich ganz fest.«
    Der Blinde kicherte. »Ich bin ein Seher, der nicht sehen kann.« Die leeren Augen richteten sich auf ihn. »Sie besitzen eine unheilvolle Aura.« Nach einer Pause seufzte er. »Mein Gott ... sie ist fast schwarz.«
    Der Mann wusste nichts zu erwidern, denn er glaubte tatsächlich an solche Dinge. Wie hätte es nach einer Woche in diesem Haus auch anders sein können?
    Die Hände des Blinden zitterten ebenso wie seine Unterlippe. Die von Arthritis gezeichnete Rechte fasste über seinen Kopf und tastete verzweifelt nach einem Haltegriff. »I-ich muss aussteigen, ich muss aussteigen.«
    Der Mann sah ihn nur verblüfft an. »Was ist denn los?«
    »Nichts davon ist Ihre Schuld, warum also bringen Sie sich in Gefahr?« Als der Bus an der nächsten Haltestelle schwankend zum Stehen kam, stand der Blinde auf und kämpfte auf wackeligen Beinen mit seinem Stock darum, das Gleichgewicht zu halten. Erneut richtete er seine toten Augen auf den Mann, dann sagte er: »Ihnen bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    »Wofür?«
    »Um das Mädchen zu töten.« Mit klapperndem Stock entfernte er sich. »Um sie zu töten.«
    Damit stieg er aus und die Türen schlossen sich hinter ihm.
    Das Mädchen einige Stunden lang allein im Zimmer zu lassen, beunruhigte ihn nicht sonderlich. Natürlich redete sie nie darüber, aber sie schien zu wissen, was draußen lauerte. Wie viel weiß sie wirklich noch?, überlegte er, als er durch den Gang einer CVS-Filiale lief. Dann
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