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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihn versteckt gehalten!‹ werden mich die Genossen anbrüllen. Und ich werde antworten: ›Ja. Das habe ich.‹ – ›Warum, du Schwein?‹ – Und ich werde sagen: ›Genossen, ein alter Mann wie ich, beginnt zu verblöden. So ist's nun mal. Ich habe Sascha in mein Herz geschlossen, er war ein guter Mensch, besaß eine große Seele und ein kindliches, dämliches Herz. Ein Deutscher war er, ja … und seht, Genossen, hier beginnt meine Altersblödheit: Ich habe nie daran gedacht, daß er ein Deutscher war. Er war immer nur mein Sascha, mein Söhnchen. Er war das Licht meines alten Herzens. Was kann man dagegen tun, Genossen?‹ – Und die Genossen vom KGB werden mir in die Fresse schlagen, und sie werden mich in einen Steinbruch stecken, wo ich bald verrecke. Aber ich werde immer an dich denken, Söhnchen, immer.«
    Bodmar blickte den alten Borja lange und schweigend an. Dann nickte er wortlos, ergriff seinen Rucksack und klemmte ihn unter den Arm. Der Alte sog verzweifelt an seiner kalten Pfeife, er schmatzte und gluckste und scharrte mit den Stiefeln über die Erde. Als Bodmar sich abwandte, sprang er auf und drehte ihn mit wildem Ruck herum.
    »Wohin?« schrie Borja.
    »Ins Hotel. Ich bringe diesen Kallberg um.«
    »Und damit Njuscha, mich und dich selber … immer nur Tod, immer nur Blut, immer nur Vernichtung, wo ihr Deutschen auftretet! Könnt ihr nichts anderes als zerstören …?«
    Bodmar blickte den Alten entsetzt an. Er begriff ihn nicht mehr, und als er die Hand ausstreckte, schlug Borja sie ihm weg.
    »Borjuschka …«, keuchte Bodmar. »Was ist los mit dir? Wie kannst du so etwas sagen? Ich bin in euer Land gekommen, um es wie meine neue Heimat zu lieben. Was soll ich denn noch tun?«
    »Du sollst abfliegen!« schrie Borja. Er bückte sich, riß den Spaten aus der Erde und hob ihn hoch. Sein von dem wilden Bart umwuchertes Gesicht verzerrte sich zu einem Gebilde, das nicht mehr menschlich war. »Gehen sollst du! Weggehen!« brüllte er heiser. »Zurück nach Deutschland. Ich will dich nicht mehr sehen, hörst du? Und den Schädel spalte ich dir, wenn du nicht wegläufst … in die Erde dresche ich dich wie einen Holzpfahl … ich spucke dich an … du … du Deutscher!«
    »Borja!« Bodmar streckte beide Arme aus. »Ich kann nicht –«
    »Gott verzeih mir!« schrie der Alte. »Jetzt töte ich ihn.«
    Er schwang den Spaten über seinen Kopf und bettelte im Innern darum, daß Bodmar weglaufen möge. Ich schlage sonst zu, dachte er. Ich schlage wirklich zu … das ist besser als die lange Qual, die ihn in den Straflagern erwartet. Ein Liebesdienst ist es, Söhnchen … ich weiß, was es heißt, eine tote Seele zu sein –
    Bodmar zögerte einen Augenblick – dann wandte er sich ab, bevor Borja mit einem lauten Seufzer den Spaten aus der Höhe herunterfallen ließ. Er traf ins Leere … mit einem leisen Zischen sauste er hinter Saschas Rücken zur Erde. Bodmar spürte den Luftzug des Schlages und drehte sich langsam um. Das Gesicht Borjas hatte jede Form verloren, nur die Augen wiesen auf eine Stelle hin, wo es menschlich war.
    »Du hättest es wirklich getan …?« stammelte Bodmar.
    »Ja!« Borjas Keuchen war wie das Jammern eines Tieres.
    »Wirst du Njuscha wiedersehen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sag ihr, daß ich heute gestorben bin. Was weiterlebt, ist ohne Bedeutung.«
    Bodmar wandte sich ab und ging.
    »Nicht dorthin …«, rief Borja mit einer Stimme, die schwankte wie eine Blechplatte im Sturm, als er ihn in den Hauptweg einbiegen sah. »Nicht durch das Tor. In zehn Minuten beginnt das Begräbnis des Iwan Antonowitsch Delnikow. Spring über die Mauer …«
    »Danke.« Bodmar wechselte die Richtung und lief zur Friedhofsmauer. Borja folgte ihm, schwankend wie ein Betrunkener.
    »Hast du mir nichts mehr zu sagen?« schrie er ihm nach. »Sascha … nichts mehr?«
    Bodmar blieb an der Mauer stehen und drehte sich noch einmal um.
    »Ich verstehe dich nicht mehr«, sagte er heiser. »Du bleibst mir ein Rätsel, Borjuschka –«
    Er warf erst den Rucksack über die Mauer, dann sprang er hoch, umklammerte die Mauerkante, zog sich an der Wand empor und verschwand mit einem Schwung auf der anderen Seite.
    Es war der Augenblick, in dem Borja den Kopf zurückwarf und die Arme ausbreitete. »Söhnchen …«, schrie er. »Söhnchen … mein Liebling!« Er rannte zur Mauer, zog sich ächzend empor und blickte, an seinen zittrigen Armen hängend, Bodmar nach, wie er schnell über die noch unbelebte, im
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