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Leopard

Leopard

Titel: Leopard
Autoren: Jo Nesbø
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gelöst ist. Ich habe im Voraus Essen bestellt. Etwas ganz Spezielles.«
    Sie bekamen in dem gutgefüllten Restaurant einen Fensterplatz zugewiesen. Ein Kellner zündete die Kerzen an, goss ihnen Apfelsaft ein, stellte die Flasche in den Weinkühler und verschwand. Sie hob ihr Glas. »Prost.«
    »Worauf?«
    »Darauf, dass das Morddezernat wie gehabt weitermacht. Und dass du und ich weiter die bösen Buben fangen dürfen. Darauf, dass wir jetzt hier sind. Zusammen.«
    Sie tranken. Harry stellte das Glas auf die Tischdecke. Schob es hin und her. Der Fuß hatte einen feuchten Ring hinterlassen. »Kaja …«
    »Ich habe etwas für dich, Harry. Sag mir, was du dir jetzt im Moment am meisten wünschst.«
    »Hör mal, Kaja …«
    »Was?«, sagte sie atemlos und beugte sich vor. »Ich habe dir gesagt, dass ich wieder fahren werde. Morgen schon.«
    »Morgen?«, sie lachte, doch ihr Lächeln erstarb, als der Kellner die Servietten auffaltete, so dass sie schwer und weiß auf ihren Schoß segelten. »Wohin?«
    »Weg.«
    Kaja starrte wortlos auf die Tischplatte. Harry hätte gerne ihre Hand genommen, ließ es aber bleiben.
    »Dann bin ich dir also nicht genug«, flüsterte sie. »Dann waren wir nicht genug.«
    Harry wartete, bis er ihren Blick eingefangen hatte. »Nein«, sagte er. »Wir waren nicht genug. Nicht genug für dich und auch nicht genug für mich.«
    »Was weißt du schon darüber, was genug ist?« Ihre Stimme klang belegt. »Ziemlich viel«, sagte Harry.
    Kaja atmete schwer und versuchte, ihre Stimme zu kontrollieren. »Ist es wegen Rakel?«
    »Ja.«
    »Es war immer Rakel, nicht wahr?«
    »Ja, es ging immer um Rakel.«
    »Aber du hast doch selbst gesagt, dass sie dich nicht will.«
    »Sie will mich nicht so, wie ich jetzt bin. Also muss ich mich selbst reparieren, wieder heil werden. Verstehst du?«
    »Nein, das verstehe ich nicht.« Zwei winzige Tränen klammerten sich zitternd an die Wimpern ihrer unteren Augenlider. »Du
bist
doch heil. Die Narben sind doch nur …«
    »Du weißt ganz genau, dass es nicht
diese
Narben sind, von denen ich spreche.«
    »Werde ich dich jemals wiedersehen?«, fragte sie und fing mit dem Zeigefingernagel eine Träne auf.
    Sie nahm seine Hand und drückte sie so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden.
    Harry sah sie an. Dann ließ sie ihn los.
    »Ich werde dich nicht noch einmal zurückholen«, sagte sie.
    »Das weiß ich.«
    »Du wirst es nicht schaffen.«
    »Vermutlich nicht«, erwiderte er lächelnd. »Aber wer tut das schon?«
    Sie legte den Kopf zur Seite. Dann lächelte sie mit ihren spitzen Zähnen. »Ich«, sagte sie.
    Harry blieb sitzen, bis er draußen im Dunkel das leise Zuschlagen einer Autotür hörte, gefolgt von einem startenden Dieselmotor. Er starrte auf die Tischdecke und wollte sich gerade erheben, als sich ein Suppenteller in sein Blickfeld schob und der Oberkellner sagte:
    »Auf besonderen Wunsch Ihrer Begleitung, direkt aus Hongkong eingeflogen: Li Yuans Glasnudeln.«
    Harry starrte auf den Teller.
    Sie sitzt noch da, dachte er und stellte sich das Restaurant wie eine Seifenblase vor, die abhob, über der Stadt schwebte und verschwand. Mit einer Küche, die immer gefüllt war, so dass sie nie wieder landen mussten.
    Er stand auf, um zu gehen. Überlegte es sich anders und setzte sich wieder hin. Griff zu den Stäbchen.
KAPITEL 95
    Die Alliierten
    H arry ging von dem Tanzlokal, das kein Tanzlokal mehr war, über den Hang nach unten zur Seemannsschule, die keine Seemannsschule mehr war. Lief weiter in Richtung der Bunker, von denen aus sich die Eroberer des Landes verteidigt hatten. Unter ihm, verborgen im Nebel, lagen der Fjord und die Stadt. Die Autos tasteten sich mit gelben Katzenaugen vorsichtig vorwärts. Vor ihm hielt ein Auto, und Harry setzte sich auf den Beifahrersitz. Aus der Stereoanlage sickerte Katie Mehlas honigtriefendes Leid, und Harry suchte verzweifelt nach dem Aus-Knopf. »Oh, verdammt, du siehst echt scheiße aus!«, sagte Oystein entsetzt. »Der Chirurg hat wirklich keinen guten Tag gehabt. Na, da brauchst du dir wenigstens keine Halloweenmaske mehr zu kaufen. Lach bloß nicht, sonst reißt deine Fratze nur wieder auf.«
    »Versprochen«, sagte Harry.
    »Apropos«, sagte Oystein. »Ich habe heute Geburtstag.«
    »Oh, verdammt. Gratuliere. Willst du 'ne Kippe? Schenk ich dir.«
    »Genau, was ich mir gewünscht hab.«
    »Hm. Keine anderen Wünsche? Keine größeren?«
    »Wie was?«
    »Weltfrieden.«
    »Wenn du aufwachst und es auf der ganzen
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