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Leopard

Leopard

Titel: Leopard
Autoren: Jo Nesbø
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das?«
    »Naja, der Konflikt zwischen Kriminalamt und Morddezernat war mir ja bekannt. Und ich erkannte gewisse Chancen darin. Als Zünglein an der Waage kann man beeinflussen, in welche Richtung die Waagschale sich senkt.«
    »Und warum haben Sie den Handel, den Sie mit mir gemacht haben, nicht mit Harry gemacht?«
    »In so einer Schlüsselposition sollte man sich immer für die Seite entscheiden, die im Begriff ist zu verlieren. Auf dieser Seite ist die Verzweiflung in der Regel größer, da ist man schneller bereit, den Preis zu zahlen, der verlangt wird. Das ist simple Spieltaktik.«
    »Warum waren Sie so sicher, dass nicht Harry verlieren würde?«
    »Ich war mir nicht sicher, aber es kam noch ein weiterer Faktor hinzu. Ich kannte Harry inzwischen ein bisschen. Er ist nicht wie Sie, Bellman, er ist kein Mann, der Kompromisse macht. Das persönliche Prestige ist ihm egal, er will einfach die wirklich bösen Jungs kriegen. Alle. Für ihn würde sich die Situation jetzt so darstellen, dass Tony Leike die Hauptrolle spielte, ich aber als Regisseur im Hintergrund die Fäden zog. Ginge es nach ihm, käme ich nicht so billig davon. Ich ging davon aus, dass ein Karrierist wie Sie das anders sieht. Und Johan Krohn teilte diese Meinung. Für Sie zählt der persönliche Nutzen, wenn Sie den Mörder fassen. Sie wissen nur zu gut, dass den Menschen da draußen nur wichtig ist, wer es
getan
hat, wer die Morde konkret begangen hat, und nicht, wer sich das alles
ausgedacht hat
Wenn ein Film floppt, ist es für den Regisseur gut, dass Tom Cruise die Hauptrolle gespielt hat, denn dann zerreißen die Zuschauer Tom Cruise in der Luft. Öffentlichkeit und Medien lieben es einfach, mein Verbrechen aber ist indirekt und komplex. Ein Gericht würde mich mit Sicherheit lebenslänglich wegsperren, aber in diesem Fall geht es nicht um Gerichte, sondern um Politik. Sind die Medien und die Öffentlichkeit zufrieden, ist auch das Justizministerium glücklich, und dann können alle einigermaßen beruhigt nach Hause gehen. Dass ich mit einer kurzen Haftstrafe, vielleicht sogar auf Bewährung davonkomme, ist ein geringer Preis dafür.«
    »Nicht für alle«, sagte Bellman.
    Altman lachte kurz. Das Echo übertönte ihre Schritte. »Nehmen Sie einen Rat von jemandem an, der sich mit so etwas auskennt. Man muss vergessen können. Man darf sich davon nicht auffressen lassen. Mit der Ungerechtigkeit ist es wie mit dem Wetter. Kann man nicht damit leben, muss man umziehen. Die Ungerechtigkeit ist kein Teil der Maschinerie. Sie ist die Maschinerie selbst.«
    »Ich rede nicht von mir, Altman. Ich kann damit leben.«
    »Ich meine auch nicht Sie, Bellman. Ich meine denjenigen, der nicht damit leben kann.«
    Bellman nickte. Er konnte gut mit der gegenwärtigen Situation leben. Er hatte Anrufe aus dem Ministerium bekommen. Natürlich nicht vom Minister persönlich, aber nichtsdestotrotz ließen die Rückmeldungen nur einen Schluss zu. Man war zufrieden. Die Ereignisse würden positive Konsequenzen haben, sowohl für das Kriminalamt als auch für ihn persönlich.
    Sie gingen die Treppe hoch ins Tageslicht.
    Johan Krohn stieg aus seinem blauen Audi und streckte Sigurd Altman die Hand entgegen, als sie die Straße überquerten.
    Bellman blieb stehen und sah dem Entlassenen und seinem Anwalt nach, bis der Audi an der nächsten Ecke in Richtung Toyen abbog.
    »Sagen Sie nicht mal hallo, wenn Sie im Haus sind, Bellman?«
    Bellman drehte sich um. Gunnar Hagen stand auf der anderen Straßenseite auf dem Bürgersteig, ohne Jacke und mit vor der Brust verschränkten Armen.
    Bellman ging zu ihm und reichte ihm die Hand.
    »Hat mich wieder jemand verraten?«, fragte Bellman.
    »Bei uns kommt alles ans Tageslicht«, sagte Hagen, rieb die Hände fröstelnd gegeneinander und lächelte breit. »Apropos. Ich bin für Ende nächsten Monats ins Justizministerium bestellt worden.«
    »Aha«, sagte Bellman leicht. Er wusste nur zu gut, worum es bei diesem Treffen ging. Umorganisation. Stellenabbau. Die Übertragung der Verantwortung in Mordfällen. Er verstand nur nicht, was das mit Hagens Bemerkung zu tun hatte, dass bei ihnen alles ans Tageslicht käme.
    »Aber darüber wissen Sie ja Bescheid«, sagte Hagen. »Wir sind ja beide gebeten worden, unsere Vorschläge für die zukünftige Handhabung bei Mordfällen einzureichen. Die Deadline nähert sich.«
    »Auf unsere parteiischen Einschätzungen wird das Ministerium kaum viel Wert legen«, sagte Bellman, musterte Hagen und
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