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Ohne Kuss ins Bett

Ohne Kuss ins Bett

Titel: Ohne Kuss ins Bett
Autoren: Crusie Jennifer
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Kapitel 1
    Andie Miller saß im Vorzimmer der Rechtsanwaltskanzlei ihres Exehegatten, im Schoß die uneingelösten Alimenteschecks der vergangenen zehn Jahre, im Bauch eine Menge aufgestauter Wut. Genau deswegen bin ich nie mehr hierhergekommen , dachte sie. Unterdrückte Wut ist ja gut und schön, solange sie unterdrückt bleibt .
    »Miss Miller?«
    Andie hob rasch den Kopf, und eine Locke löste sich aus ihrem Haarknoten. Sie schob sie wieder in die Haarspange an ihrem Hinterkopf, während Norths adrette, tüchtige Sekretärin sie anlächelte, eingerahmt von seiner altehrwürdigen viktorianischen Büromöblierung. Trüge diese Sekretärin einen Haarknoten, dann würde ihm kein einziges Härchen entschlüpfen. North war sicher ganz verrückt nach ihr.
    »Mr Archer hat jetzt Zeit für Sie«, verkündete die Sekretärin.
    »Na, so ein Glück.« Andie erhob sich, strich ihre Kostümjacke glatt – die einzige, die sie besaß – und fragte sich, ob sie zu feindselig geklungen hatte.
    »Er ist wirklich ein netter Mensch«, betonte die Sekretärin.
    »Nein, ist er nicht«, murmelte Andie und marschierte über den kostbaren alten Teppich zu der Tür hinüber, die in Norths Büro führte, öffnete sie, bevor die Sekretärin ihr vorausgehen konnte, und blieb dann auf der Schwelle stehen.
    North saß hinter seinem Walnussholzschreibtisch, und in dem Sonnenlicht, das durch das Fenster hinter ihm hereinflutete, wirkte sein kurz geschnittenes blondes Haar fast weiß. Die dünne Drahtgestellbrille war ihm wie üblich auf die Nasenspitze gerutscht, und er hatte die Hemdsärmel aufgerollt – spielt immer noch Squash , dachte Andie –, und er hielt sich sehr gerade, während er in die Papiere vertieft war, die er auf der polierten Oberfläche seines Schreibtischs ausgebreitet hatte. Er sah genauso aus wie damals vor zehn Jahren, als sie ihren Koffer auf seine Türschwelle poltern ließ und ihm Lebwohl sagte …
    »Miss Miller ist hier«, verkündete seine Sekretärin über Andies Schulter, und er blickte auf und sah sie über den Brillenrand hinweg an. Andie fühlte, wie die Jahre zurückrollten. Sie stand wieder da, wo sie begonnen hatte, blickte unverwandt in diese graublauen Augen, und ihr Herzschlag beschleunigte sich.
    Nach einer kleinen Ewigkeit erhob er sich. »Andromeda. Danke, dass du gekommen bist.«
    Sie kam näher, lächelte ihn über seinen massiven Schreibtisch hinweg etwas gezwungen an und fand, dass es zu albern wäre, ihm die Hand zu schütteln. Also nahm sie einfach Platz. »Dabei habe ich dich angerufen, schon vergessen? Danke, dass du Zeit für mich hast.«
    North setzte sich wieder, wobei er »Danke sehr, Kristin« zu seiner Sekretärin sagte, die daraufhin verschwand.
    »Also, ich habe dich angerufen, weil …«, begann Andie im gleichen Moment, in dem er fragte: »Und wie geht’s deiner Mutter?«
    Aha, die höfliche Tour . »Verrückt wie eh und je. Und wie geht’s deiner?«
    »Lydia geht’s gut, danke.« Er ordnete die Papiere auf seinem Schreibtisch zu einem Stapel.
    Für diesen Schreibtisch hatten einige Bäume sterben müssen. Wahrscheinlich hatte seine Mutter sie wie ein Biber angenagt, mit ihren scharfen Fingernägeln die Bretter herausgesägt und die Zierschnitzereien mit ihrer spitzen Zunge hineingeätzt.
    »Ich werde ihr ausrichten, dass du nach ihr gefragt hast.«
    »Na, da wird sie sich aber freuen. Bestelle Southie einen schönen Gruß von mir.« Andie öffnete ihre Handtasche, zog den Packen Alimenteschecks hervor und legte sie auf den Schreibtisch. »Ich bin gekommen, um dir die hier zurückzubringen.«
    North blickte die Schecks einen Augenblick lang an, und die kräftigen, scharf geschnittenen Flächen seines Gesichts lagen durch das Gegenlicht im Schatten.
    Sag doch was , dachte sie, und als er stumm blieb, fuhr sie fort: »Es sind alle, hundertneunzehn an der Zahl. Von November ’82 bis letzten Monat.«
    Sein Gesicht war so ausdruckslos wie immer. »Warum?«
    »Weil sie eine Verbindung zwischen uns sind. Wir haben zehn Jahre lang kein Wort gewechselt, aber jeden Monat schickst du mir einen Scheck, obwohl du weißt, dass ich keine Alimente will. Das heißt, dass ich jeden Monat einen Brief in der Post finde, der mich daran erinnert, dass ich mal mit dir verheiratet war. Aber ich löse sie nie ein. Das ist so, als wenn wir uns über die Straße hinweg stumm zunicken. Wir kommunizieren immer noch.«
    »Nicht besonders gut.« North blickte wieder den Stapel an. »Und warum das
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