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0121 - Horror-Urlaub

0121 - Horror-Urlaub

Titel: 0121 - Horror-Urlaub
Autoren: Gerhart Hartsch
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Ein Sprung brachte den Mann mit dem Dreispitz zum Eingang des Hünengrabes. Er löste mit einem Griff die vorbereitete Lawine aus. Knirschend legten sich Findlinge vor den Eingang, schnitten der Frau den Rückweg ab.
    Marion Theben war gefangen, gut fünf Meter unter der Erde, abgeschnitten von der Außenwelt. Die Lehrerin aus Hamburg, seit ein paar Stunden auf der Insel Anholt, begriff, daß es kein Entrinnen gab. Erschöpft sank sie zu Boden.
    Visionen quälten sie. Längst vergessene Bilder von verschütteten Bergleuten. Geschichten von Scheintoten. Von Menschen, die lebendig begraben worden waren.
    In Groß-Mochbar war kürzlich ein Grab geöffnet worden, weil Besucher des Friedhofs Geräusche gehört haben wollten, die aus der Erde kamen. Sie sprachen von einem Schmatzen und Würgen.
    Der Pfarrer verspritzte Weihwasser, aber die unheimlichen Geräusche verstummten nicht. Der Sarg wurde ausgegraben und geöffnet.
    Man fand den Bestatteten frisch vor, fast wirkte er wie ein Schlafender und war doch vor zwölf Wochen zu Grabe getragen worden. Alles wies darauf hin, daß er sich in seiner Verzweiflung die Kleider vom Leibe gerissen hatte.
    Marion Theben seufzte.
    Sie kannte viele dieser alten Quellen. Sie erinnerte sich an die Geschichte jenes jungen Mädchens aus dem Rheinland, das 1920 auf einem Spaziergang den Burgturm bestiegen hatte. Hinter ihr war die baufällige Treppe eingestürzt. Es gab kein Zurück mehr für sie.
    Suchtrupps fanden die Vermißte nicht. Sie suchten unten im Tal. Die Gegend mit der Burgruine lag abseits aller Wanderwege. An sie dachte niemand.
    Jahre später wurden Studenten auf das Gemäuer aufmerksam und machten sich einen Jux daraus, den unzugängli-, chen Turm zu besteigen. Oben auf der Plattform entdeckten sie ein Gerippe.
    Die Tote konnte identifiziert werden.
    Wie elend mußte das arme Mädchen umgekommen sein!
    Und wer kam auf die Idee, ein altes Hünengrab zu öffnen? Marion Theben begriff schlagartig, daß ihre Chance gleich Null war.
    Sie knipste ihr Feuerzeug an, um sich zu orientieren.
    Wie angewurzelt blieb die Eingeschlossene stehen.
    Marion Theben hatte die Stätte eines ›Schwarzen Kultes‹ entdeckt. Ein Schrumpfkopf, der auf einem Pfahl steckte, grinste sie an. Bastfäden verschnürten die Lippen. Schwarzes Haar hing strähnig herab. Perlmuttaugen glitzerten tückisch und reflektierten das flackernde Licht. Der Schädel erinnerte an den Kopf eines präparierten Affen.
    Vor dem Totenschädel steckten zwei abgeschnittene Hände im Erdreich. Die Fingernägel - sorgfältig lackiert - glänzten matt.
    Ein Halbkreis aus schwarzen Kerzen umgab das Ganze.
    Angewidert zertrat Marion Theben die Requisiten eines unbekannten magischen Zirkels, der sich offenbar in dem uralten Hünengrab traf, um irgendwelche Feste zu feiern.
    Marion Theben stieß den Pfahl um, auf dem der abgeschlagene Schädel steckte. Aber sie hatte es kaum getan, da stieß der Schrumpfkopf einen entsetzlichen Schrei aus.
    Die Lippen zerrten an der Verschnürung.
    Eine rosarote Zunge würgte Worte heraus, die keiner der jungen Frau bekannten Sprache entstammten. Blut sickerte aus der Schnittstelle, wo der Kopf vom Rumpf getrennt worden war.
    Schreiend ließ Marion Theben den Pfahl los. Sie wich zurück, stieß zitternd an die jenseitige Wand und beobachtete voller Entsetzen, wie der Totenschädel zu sprechen versuchte. Offenbar waren es Verwünschungen, die ihr galten.
    Täuschte der flackernde Lichtschein, oder lebte dieses Gesicht, das sich in unmenschlichem Haß boshaft verzerrte?
    Wimmernd brach Marion Theben zusammen.
    Die Frau rutschte mit dem Rücken an der feuchten Mauer entlang, landete hart auf dem Boden der Höhle.
    Die Hände im Erdreich bewegten sich. Sie schienen um Gnade zu betteln. Die Kerzen wiegten sich in makabrem Takt.
    Der Zauberschädel zischte und röchelte.
    Die bleichen Totenfinger der Hände falteten sich zu einem höllischen Gebet, lösten sich wieder, zuckten voller Qual.
    Ihr Schatten fiel auf die Wand, unmäßig vergrößert.
    Entsetzt schlug die Lehrerin die Hände vor das Gesicht.
    Sie konnte den Tanz der Kultgegenstände nicht mehr ansehen. Eine Ahnung kommenden Unheils und Grauens beschlich sie.
    ***
    Vor einigen Stunden waren Professor Zamorra und Nicole Duval, seine Sekretärin und zugleich auch Geliebte, mit der Nachmittagsfähre auf der Insel im Kattegat eingetroffen.
    Zamorra war einer telefonischen Bitte des Bürgermeisters Peer Oldörp gefolgt, der ihn und Nicole in ihrer
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