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Lektionen (German Edition)

Lektionen (German Edition)

Titel: Lektionen (German Edition)
Autoren: Madeline Moore
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sondern verständigsten Wesen nehmen könnte – nun, das sind gute Streitpunkte, die weiterer Prüfung standhalten.»
    Sarah zuckte mit den Schultern. «Na, dann prüf sie halt. Fühl dich frei, nach Belieben von meiner Arbeit abzukupfern.»
    Er runzelte derart ärgerlich die Brauen, dass es ulkig wirkte. «Das ist mitnichten, was ich vorschlage. Ich schlage vor, du setzt deinen Studienweg fort. Im Ausland.»
    «Warum im Ausland?»
    «Weil ich dort sein werde. Ich gehe in die Schweiz. Die Hochschule dort hat einen ausgezeichneten philosophischen Fachbereich. Begleite mich.»
    «Ich dachte … Bist du nicht schon abgereist?»
    «Ich bin deinetwegen zurück.»
    Der Hass schwand so rasch aus ihrem Körper, dass sich ihre Gliedmaßen matt anfühlten. Sie hätte gar nicht gehen können, wäre das ihr Wille gewesen. Was er nicht war.
    «Begleite mich, Sarah.»
    «Als deine Geliebte?»
    «Als meine Frau.»
    Jetzt setzte sich Jon in Bewegung und ging um den Tisch herum, um sich daraufzusetzen, nahe bei ihr. Nahe genug für eine Berührung.
    «Du machst Witze.»
    «Nein.»
    «Und wenn ich autistisch bin?»
    «Na und?» Er lachte. «Ist das deine größte Sorge? Ich glaube nicht, dass wir uns deswegen sonderlich beunruhigen müssen.»
    «Ich hab keine gute Beziehung zu Menschen.» Noch als sie das sagte, erinnerte sie sich ihrer Kunden bei Classique. Nicht an die gewöhnlichen, sondern an George in seinem Rollstuhl, Peter und seinen Nerzhandschuh, den Rauchfetischisten, die Swingerpaare und Bengie, den Infantilisten. Sie sah ihre Gesichter vor sich, kannte ihre Namen. Sie machte sich etwas aus ihnen.
    «Stimmt nicht. Jedenfalls hast du mich gern. Oder hattest.» Jon streckte seine Hand aus. Darin war ein Ring: drei große Diamanten, aufgereiht auf einem Goldreif. «Den wollte ich dir schenken, wenn du zu unserem vorgeschriebenen Treffen kämst. Sobald du nicht länger meine Studentin wärst. Aber du bist nicht gekommen.»
    Sarah stöhnte. Sie nahm den Ring aus seiner Hand.
    «Ich hab mir weismachen wollen, du wärst mit deinem jungen Verlobten besser dran, aber –»
    «David?» Nun musste Sarah lachen. «Der ist Geschichte.»
    Jon grinste voll offenkundiger Erleichterung. «Ich wusste, dass du ihn nicht liebst. Aber liebst du mich?»
    «Was ist Liebe?»
    Jon stöhnte. «Du wirst es mir damit nicht leicht machen, oder?»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Ich habe eine Antwort.»
    «Das nehme ich an. Wie lautet sie?»
    «Plato sprach von drei Ebenen der Lust, wie du sicher weißt.»
    «Natürlich.» Sarah drehte den Ring um den kleinen Finger ihrer rechten Hand und sah den Diamanten beim Funkeln zu. «Eros, philia und agape.»
    «Ich hab meine Jugend damit verbracht, nach einer Frau zu suchen, die alle drei Ebenen verkörpert. Die erste Ebene, sinnliche oder körperliche Lust.»
    «Sex.» Sie warf ihm einen Blick unter gesenkten Lidern zu.
    «Richtig. Die zweite, ästhetische Lust.»
    «Schönheit.» Sie ließ ihr lieblichstes Lächeln für ihn aufscheinen.
    «Und Beziehung. Ehe.»
    «Hmm.» Sarah hörte auf, am Ring zu spielen. «Ebene drei?»
    «Überraschenderweise ist das tatsächlich die schwierigste. Außerdem die höchste. Geistige Lust.»
    «Unbefleckt, wenn ich mich nicht irre, von körperlichem Austausch.»
    «Plato zufolge, doch ich finde, das muss nicht der Fall sein.» Er grinste verlegen.
    «Was hat das mit mir zu tun?»
    Jon knurrte. «Ich hörte auf, ihr hinterherzujagen, weil ich nicht mehr glaubte, dass es sie gäbe. Ich ruhte. Du bist gekommen und hast deinen Kopf in meinen Schoß gelegt. Ich liebe dich.»
    «Wie kannst du mich lieben, wo du doch weißt, dass ich eine Hure bin?», flüsterte Sarah.
    «Ich stelle fest, dass es mir gleich ist. Schließlich war ich dein Freier. Ich bin genauso verdorben wie du. Die entscheidende Frage lautet nun: Liebst du mich?»
    «Gleichermaßen verdorben. Ebene eins.» Wieder ließ sie den Ring an ihrem kleinen Finger kreisen und sah die Diamanten funkeln.
    Jon nickte.
    «Gleichermaßen anziehend, Ebene zwei.»
    «Da finde ich dich großzügig, aber ja, schön.» Wieder nickte er.
    «Gleichermaßen intelligent?»
    «Nun. Womöglich. Ich meine, ich bin älter und habe allerdings einen Doktortitel –»
    Sarah hörte auf, den Ring kreisen zu lassen. Sie runzelte die Stirn.
    «Ja, ja. Gleichermaßen intelligent. Ebene drei.»
    «Gleichgestellt?»
    «Unbedingt. Außer ich gebe Befehle, die du mit sklavischem Gehorsam befolgst, weil du Erniedrigung und Schmerz nötig hast.»
    Sie
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