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Lektionen (German Edition)

Lektionen (German Edition)

Titel: Lektionen (German Edition)
Autoren: Madeline Moore
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Professor?
    Ihre Mutter schlängelte sich heran und streckte Jon eine Hand entgegen. «Danke für alles, was Sie für meine Tochter getan haben. Sie hat jahrelang furchtbar hart gearbeitet, um dieses Diplom zu bekommen.» Sie fiel geradezu in Ohnmacht, als Jon kurz ihre Hand nahm. Wer könnte es ihr verübeln? Jon war ein sehr gut aussehender Mann. «Ich bin ihre Mutter, und das sind unsere jüngere Tochter Donna und Sarahs Verlobter David.»
    «Mu-tter!» Es kam wie die quenglige Beschwerde einer Heranwachsenden heraus. Verdammt.
    «Oje, hab ich die Katze aus dem Sack gelassen? Schön, sie sind so gut wie verlobt. David ist wissenschaftliche Hilfskraft hier an der Uni.»
    David wich von Donnas Seite, um Jon die Hand zu schütteln, dann trat er aber wieder zu ihr.
    «Ich hatte noch keine Gelegenheit, mit Ihnen über Ihre Hausarbeit zu sprechen. Hätten Sie ein paar Augenblicke Zeit?» Jon versuchte, sie mit seiner Hand am Ellbogen fortzuziehen.
    «Nein.» Sarah schüttelte ihn ab.
    «Ah. Nun, ich würde Sie sehr gern fürs weiterführende Studium empfehlen.»
    «Ich setze das Studium nicht fort. Ich hab auch meine Stelle bei der Cateringfirma aufgegeben. Ich bin frei und ungebunden.» Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. «Ein Irrlicht.»
    «Das überrascht mich. Die Abkehr vom Studium. Ihre Hausarbeit war bemerkenswert, ebenso sehr Ihres Stils wie Ihrer Gedanken wegen, wenngleich die Grundannahme, dieses, äh, Asperger-Syndrom könnte sich auf viele der großen Philosophen der Geschichte ausgewirkt haben, nun, es ist – interessant.»
    «Donna hat das Asperger-Syndrom», unterbrach Mr. Meadows sie voller Stolz.
    «Nein, hab ich nicht, Dad», widersprach Donna. «Ist alles zu vertrackt. Ich glaube, ich hab einfach nur Allergien wie David.» Sie lächelte zu David hinauf. «Wir sind allergisch gegen Pollen und vertragen keinen Milchzucker.»
    «Lass mich mal ein Bild mit dir und deinem Professor machen», sagte Mr. Meadows.
    «Nein, Dad. Nein, danke.» Sarah wusste, würde es ein Foto von ihnen beiden geben, käme sie nie über das Gefühlsdurcheinander hinweg, das Jon Trelawney bei ihr auslöste. «Aber Professor Trelawney, würden Sie vielleicht ein Foto von uns machen?»
    Jon war sichtlich verdutzt, doch als sich alle um Sarah versammelten, schaute er beherzt durch den Sucher und drückte auf den Auslöser.
    «Danke schön.» Sarah nahm ihm die Kamera ab. Ihre Finger berührten sich. Tränen traten ihr in die Augen.
    «Mein Flug geht heute Abend», sagte Jon. «Ich werde –»
    «Viel Glück, Professor», schnitt sie ihm absichtlich das Wort ab. Je weniger sie von seinen Zukunftsplänen wusste, desto besser.
    Jon sah aus, als würde er gern noch verweilen, doch es gab für ihn keinen legitimen Grund dazu. «Dann heißt es jetzt wohl Abschied nehmen.»
    «Das wird es wohl. Alles Gute, Professor Trelawney. Hat mich sehr gefreut.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 28
    In den folgenden Tagen spielte Sarah ihren Abschiedssatz immer wieder im Kopf durch. «Hat mich sehr gefreut.» Er vermittelte ihr Schauer der Lust. Sie war ganz kühl gewesen, sogar hochmütig, und wenn ihre Augen etwas feucht gewesen waren, dann dürften sie halt deshalb gefunkelt haben. Sie hatte es ihm gezeigt!
    Sie stand in dem Zimmer, das die meiste Zeit an der Seneca-Universität ihr Zuhause gewesen war. Die Möbel waren noch da, aber ohne ihren Kleinkram darin sah das Zimmer bereits unbewohnt aus. Sie fuhr mit der Hand über den Schreibtisch. Er hatte gesagt, ihre Hausarbeit sei bemerkenswert und ihre Gedanken interessant. Ha!
    Es bestürzte sie, wie sehr sie Jon Trelawney hasste. Vernünftig betrachtet, hatte er nichts falsch gemacht, doch ihr Bauchgefühl schrie Verrat. Sie wollte kein Essen zu sich nehmen, vertrug es nicht. Sie wollte Rache. Eines Tages würde sie aufhören, ihn zu hassen, und wäre auf dem leuchtenden Pfad der Besserung, doch vorerst bebte mit jedem Herzschlag der Hass in ihr.
    Sarah schaute im Schrank über dem Schreibtisch nach Schnaps, aber den hatten sie und Donna schon vor Tagen ausgeräumt. Donna war aus dem Zimmer auf der gegenüberliegenden Flurseite in eine Einzimmer-Neubauwohnung umgezogen. «Ich hab auch meinen Bachelor gekriegt», hatte sie scherzhaft gesagt. Sarah lächelte. David hatte Donna geholfen, sich einzurichten und einen Job zu finden. Sarah war es gelungen, den Diamantring, den er bei ihr gelassen hatte, in die Tasche seines Regenmantels zu schieben. Sie hatte das Gefühl, er werde bald genug
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