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Lektionen (German Edition)

Lektionen (German Edition)

Titel: Lektionen (German Edition)
Autoren: Madeline Moore
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reden beginnt.
    Es war heiß im Vorlesungssaal, aber daran lag es nicht, dass Sarah sich auf einmal schlecht fühlte.
    Er ging fort.
    «Wir beginnen mit den zum erweiterten Bachelor of Arts im Fachbereich Philosophie Graduierten …»
    Es war keine Zeit, in Ohnmacht zu fallen oder zu weinen. Jeden Augenblick würde sie dort oben sein, seine Hand schütteln und ihr Diplom von ihm entgegennehmen. Er durfte nicht merken, wie sehr die Nachricht sie erschütterte.
    Sarah sah dem ersten Studenten zu, wie er auf die Bühne stieg, zum Podest schritt, Jons Rechte schüttelte, mit der Linken das Diplom entgegennahm und auf der anderen Seite von der Bühne trat. Es sah undurchführbar aus. Sie wuchs riesenhaft an, sie konnte es fühlen, ihre Masse füllte den Platz aus, auf dem sie saß. Sie würde feststecken und nicht aufstehen können, wenn sie an die Reihe käme.
    Sarah fächelte sich mit ihrem Programmzettel Luft zu. Penny warf ihr einen Blick zu, als sie sich von ihrem Sitzplatz in der ersten Reihe erhob. Sarah gab ihr rasch Zeichen mit hochgerecktem Daumen. Penny stieg auf die Bühne.
    Gut. Nicht nötig, Penny mit ihrer Verpestung anzustecken. Pennys Nachname war Dickson. Von D bis M – wie viel Zeit hatte sie noch? Herrje, was ging hier vor sich? Okay. Die Sache durchsprechen. Schnell. Vielleicht hatte sie irgendwo in ihrem Unbewussten die Hoffnung gehegt, wenn sie nicht mehr Studentin oder Begleiterin wäre, könnte sie sich mit Professor Trelawney verabreden. Nun ging er weg, sodass diese Hoffnung, sollte Sarah sie gehegt haben, sich zerstreut hatte. Werd damit fertig. Jetzt.
    Penny hielt ihr Diplom hoch und schwenkte es triumphierend, während sie die Bühne überquerte. Allgemeines Gelächter. Der nächste Name wurde aufgerufen. Greenwood. Es gab nicht viele Studenten mit erweitertem Abschluss. In ein paar Augenblicken würde sie da oben sein. Eltern unter den Anwesenden. Schwester. Mach sie stolz. Nur noch einmal mehr, Sarah. Mach sie stolz.
    Der sadistische Sack verließ also die Stadt. Wenn schon. Es gab andere. Sie würde jemand anderen finden. Es sei denn, kein anständiger Mann würde sie jetzt noch wollen, so wie David. Würde sie halt ihren Laden woanders aufmachen, vielleicht in New York. Die Dreckskerle dafür zahlen lassen, sie zu züchtigen und zu beschimpfen. Das würde sie tun, bis sie zu gebrochen wäre zum Weitermachen.
    Sarah unterdrückte ein Stöhnen. Verdammt. Sarah Meadows, verdammt nochmal. Schön, Sarah Meadows, mach sie stolz.
    «Sarah Meadows», sagte Jon.
    Sie stand auf und befahl sich, nicht riesig zu sein. Es klappte! Wundersamerweise schaffte es Sarah Meadows bis zur Bühne, ohne über ihren Talar zu straucheln. Jon wartete mit dem Diplom in der Hand. Nimm es. Schüttele seine Hand. Die Treppe runter. Geschafft.

    Gestalten in schwarzen Talaren fielen wie ein Krähenschwarm in den Innenhof ein. Barette flogen in die Höhe. Der Lärm Hunderter junger Leute, die aus der förmlichen Abschlussfeier entlassen waren und endlich ihre schwerverdienten Diplome in Händen hielten, war ohrenbetäubend.
    Sarah stieß zu ihrer Familie. David war natürlich mit dabei und spielte seine Rolle. Er stand steif daneben, während ihre Eltern und Schwester sie umarmten und küssten. Jetzt die Erinnerungsfotos! Sarah posierte mit ihrem Dad, mit ihrer Mom, mit beiden, mit ihrer Familie. Lächeln und nochmals Lächeln für die Kamera. Sie posierte mit David und hielt ihr Versprechen, ihn nicht anzurühren. Penny kam dazu, was eine neue Runde Schnappschüsse einleitete.
    «Geht’s dir gut?» Penny tätschelte mit beiden Händen Sarahs gerötete Wangen. «Du siehst verquer aus.»
    «Ich bin verquer.»
    «Sind wir das nicht alle?» Penny schlang die Arme um sie. «Melde dich. Ich mein’s ernst. Wenn ich dir maile und du nicht – o mein Gott, da kommt Trelawney.»
    «Nein!» Sarah legte eine Hand vor den Mund. «Lass mich nicht allein.»
    «Muss sein, Kleine. Die Zukunft ruft!» Penny wurde von der Menge mitgerissen und ließ Sarah allein damit, Jon zu begegnen.
    «Sarah», sagte er. Er berührte ihren Ellbogen. «Ich muss Sie sprechen.»
    «Mom, Dad, das ist Professor Trelawney.»
    Ihr Dad sprach ihn an. «Sie sind doch damals nachgerückt, als der Existenzialist plemplem wurde, richtig?» Er ließ einen Zeigefinger an seiner Schläfe kreisen.
    Sarah nahm sich zusammen, um nicht vor Jon von ihrer Familie peinlich berührt zu sein. Wer war er schließlich anderer als ihr ehemaliger Kunde und ehemaliger
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