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Decker & Lazarus - 18 - Missgunst

Decker & Lazarus - 18 - Missgunst

Titel: Decker & Lazarus - 18 - Missgunst
Autoren: Faye Kellerman
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1
    Ach, die Fantasie: der Stoff des Lebens.
    Während er sich für die Arbeit anzog, schaute er in den Spiegel. Es starrte ihn ein gut aussehender Mann an, etwa ein Meter fünfundneunzig …
    Nein, das war zu riesig.
    Es starrte ihn ein eins fünfundachtzig großer, teuflisch gut aussehender und perfekt gebauter Mann an, mit einer von der Sonne gebleichten Surfermähne und übernatürlich blauen Augen, die so unglaublich waren, dass, wann immer eine Frau ihn ansah, sie den Blick verlegen abwenden musste.
    Na, das mit den Augen stimmte wahrscheinlich sogar.
    Wie wär’s damit?
    Aus dem Spiegel starrte ihn ein kantiges Männergesicht an, umrandet von dichten dunklen Locken, mit einem scheuen Lächeln, das Frauen in Ohnmacht fallen ließ – weil es so jungenhaft und charmant und gleichzeitig doch auch maskulin war.
    Er spürte, wie sich seine Lippen zu einem Lächeln verzogen, und strich sich mit den Fingern durch sein eigenes lockiges Haar, das eher als dünn zu bezeichnen war – es ging ihm zwar nicht aus, hatte aber nur wenig Volumen. Er zog den Knoten der Krawatte hoch, platzierte ihn unter den Kragenecken und fühlte dabei den Stoff: erstklassige, schwere Seide, von Hand bemalt in einem Farbspektrum, das zu fast allen, wahllos aus seinem Kleiderschrank genommenen Sachen passen würde. Während er die Hemdzipfel in die Hose steckte, glitten seine Hände über einen Waschbrettbauch, dank Crunches, Hanteln und einer streng geregelten Ernährung. Es ging ihm wie allen Bodybuildern: Seine Muskeln gierten nach Proteinen, was völlig in Ordnung war, solange er das Fett wegschnitt. Deshalb gefiel ihm das, was er sah, wann immer er in den Spiegel blickte.
    Oder besser gesagt, ihm gefiel, was er zu sehen glaubte.
     
    Decker war wirklich verblüfft. »Ich verstehe gar nicht, wie du durch die Vorvernehmung der Geschworenen gekommen bist.«
    »Vielleicht hat der Richter mir einfach geglaubt, als ich ihm sagte, ich könne durchaus objektiv sein«, antwortete Rina.
    Decker stöhnte leise vor sich hin, als er den Süßstoff in seinen Kaffee streute. Eigentlich hatte er seinen Kaffee immer schwarz getrunken, aber in letzter Zeit war er die reinste Naschkatze geworden, vor allem nach dem Essen. Dabei gab es zum Abendessen gar nichts Schweres – ein Bauchsteak und Salat. Wenn sie beide alleine waren, bevorzugte er einfache Gerichte. »Mag sein, dass der Richter dich in die Jury gezwungen hat, doch spätestens der Staatsanwalt hätte deinen reizenden Hintern aus der Gruppe rauskicken müssen.«
    »Vielleicht glaubt ja auch der Staatsanwalt an meine Fähigkeit zur Objektivität.«
    »Seit neunzehn Jahren hörst du mir zu, wie ich mich über unser verkommenes Rechtssystem aufrege. Wie sollst du da bitte schön objektiv sein?«
    Rina lächelte hinter ihrer erhobenen Kaffeetasse hervor. »Du gehst davon aus, dass ich alles für bare Münze nehme, was du sagst.«
    »Vielen herzlichen Dank.«
    »Nur weil ich die Ehefrau eines Polizeibeamten bin, wurde noch lange nicht jedes bisschen Vernunft aus meinem Hirn gesaugt. Ich denke weiterhin selbstständig und bin so vernünftig wie jeder andere Mensch auch.«
    »Für mich klingt das, als wärst du richtig gerne in der Jury.« Decker nippte an seinem Kaffee – stark und süß.
    »Das stärkt dir den Rücken, Liebling. Genau das braucht unser Rechtssystem: schlaue Leute, die ihre Bürgerpflichten wahrnehmen.«
    Er schenkte ihr ein verschlagenes Lächeln. »Oder vielleicht genießt Mr. Staatsanwalt einfach deinen Anblick.«
    »Es ist eine Frau, und vielleicht hast du recht.«
    Decker lachte. Jeder würde es genießen, Rina anzusehen. Über die Jahre hatte ihr Gesicht ein paar Lachfältchen bekommen, aber sie war immer noch eine majestätische Erscheinung: ein Alabasterteint mit einem Hauch Rosa auf den Wangenknochen, seidiges schwarzes Haar und kornblumenblaue Augen.
    »Es ist ja nicht so, dass ich nicht gerne verschont geblieben wäre«, erklärte Rina. »Aber ab einem gewissen Punkt musst du gezielt lügen, damit sie dich ausschließen. So Sachen sagen wie mein, ich kann niemals objektiv sein‹, und dabei klingst du dann wie ein Idiot.«
    »Worum geht’s in dem Fall?«
    »Du weißt, ich darf nicht darüber sprechen.«
    »Ach, hör schon auf.« Decker biss in einen zuckrigen Keks, selbst gebacken von seiner sechzehn Jahre alten Tochter. Die Krümel blieben in seinem Bart hängen. »Wem sollte ich was davon erzählen?«
    »Dem ganzen Revier vielleicht?«, erwiderte Rina. »Musst du in
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