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Sternchenhimmel

Sternchenhimmel

Titel: Sternchenhimmel
Autoren: Carl Hiaasen
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    Am 15. März, zwei Stunden vor Sonnenaufgang, fand ein Rettungshelfer namens Jimmy Campo einen verschwitzten Fremden hinten in seinem Krankenwagen. Der Wagen parkte in einer Lieferzufahrt hinter dem Stefano Hotel; dorthin waren Jimmy Campo und sein Partner gerufen worden, um eine weiße Zweiundzwanzigjährige zu behandeln, die sich unklugerweise ein Gemisch aus Wodka, Red Bull, Hydrocodon, Vogelfutter und Abführmittel einverleibt hatte. Also in jeder Hinsicht ein South-Beach-Routinenotruf, bis jetzt.
    Der Fremde in Jimmy Campos Krankenwagen hatte zwei 35-Millimeter-Digitalkameras um den feisten Hals hängen und hielt eine pralle Ausrüstungstasche auf dem Schoß. Er trug eine Dodgers-Kappe und ein Bluetooth-Headset. Seine vollen, geröteten Wangen glänzten feucht, und sein Körper müffelte wie ein Gefängniswäschesack.
    »Raus aus meinem Krankenwagen«, befahl Jimmy Campo.
    »Ist sie tot?«, fragte der Mann aufgeregt.
    »Alter, ich ruf die Cops, wenn du dich nicht vom Acker machst.«
    »Wer ist bei ihr oben – Colin? Shia?«
    Der Fremde war dreißig Kilo schwerer als Jimmy Campo, doch nicht ein Gramm davon bestand aus Muskeln. Jimmy Campo, der früher mal Triathlet gewesen war, zerrte den Eindringling aus dem Wagen und deponierte ihn unter einer Straßenlaterne auf dem klebrigen Gehsteig.
    »Bleib locker, Herrgott noch mal«, maulte der Mann und untersuchte seine Kameraausrüstung auf mögliche Schäden. Katzen jaulten und fetzten sich irgendwo in den Schatten.
    Im Krankenwagen fand Jimmy Campo, was er gesucht hatte: einen eingeschweißten sterilen Schlauch nebst Injektionsnadel für einen intravenösen Zugang, um den zu ersetzen, den sich das Überdosisopfer beim Umsichschlagen aus dem rechten Arm gerissen hatte.
    Der Fremde kam mühsam auf die Beine und verkündete: »Ich geb dir tausend Piepen.«
    »Wofür?«
    »Lass mich ein Foto machen, wenn ihr sie runterbringt.« Der Mann wühlte in den Falten seiner schmuddeligen Hose und förderte einen Batzen Bares zutage. »Du machst deinen Job, und ich meinen. Hier, reicht das?«
    Jimmy Campo sah das Geld in der Hand des Fremden an. Dann blickte er zum dritten Stock des Hotels hinauf, wo sein Partner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerade Mühe hatte, sich nicht vollkotzen zu lassen.
    »Ist sie berühmt oder so was?«, fragte er.
    Der Fotograf gluckste. »Mann, das weißt du gar nicht?«
    Jimmy Campo dachte an den 52-Zoll- HD -Fernseher, den er im Elektromarkt im Sonderangebot gesehen hatte. Er dachte an seine Freundin, die mit seiner überzogenen Mastercard im Einkaufszentrum Amok lief. An all die garstigen Briefe von seiner Kreditgenossenschaft.
    »Egal, wer sie ist, tot ist sie jedenfalls nicht«, verriet er dem Fotografen.
    »Cool.« Der Mann hielt noch immer das Bündel Hunderter in den Schein der Straßenlaterne, als wolle er einen streunenden Hund mit rohem Hackfleisch in Versuchung führen. »Du brauchst bloß die Decke runterzuziehen und zur Seite zu treten, wenn ihr sie reinschiebt, damit ich meine Aufnahme kriege. Ich brauch nur fünf Sekunden.«
    »Das wird kein schöner Anblick. Ihr geht’s echt dreckig.« Jimmy Campo nahm die zerknüllten Scheine und steckte sie ordentlich gefaltet in seine Brieftasche.
    »Ist sie wenigstens wach?«, fragte der Fotograf.
    »Ab und zu.«
    »Aber man könnte auf einem Foto ihre Augen sehen, stimmt’s? Sie hat ganz tolle meergrüne Augen.«
    »Ist mir nicht aufgefallen«, meinte Jimmy Campo.
    »Du weißt echt nicht, wer sie ist? Im Ernst?«
    »Für wen arbeitest du eigentlich?«
    »Für ein ganz kleines Unternehmen«, antwortete der Mann. »Besteht nur aus meiner Wenigkeit.«
    »Und wo kann ich dieses Superfoto sehen, das du gleich schießen wirst?«
    »Überall. Du wirst es überall sehen«, beteuerte der Fremde.
    Achtzehn Minuten später kamen Jimmy Campo und sein Kollege mit einer zusammenklappbaren Rolltrage aus dem Hotel, auf der eine schlanke, reglose Gestalt lag.
    Der Fotograf war überrascht, dass kein Gefolge dabei war. Keine Bodyguards, Freunde oder Hofschranzen. Nur ein einsamer Miami-Beach-Polizist folgte der Trage die Gasse hinunter. Als der Fotograf anfing, Bilder zu schießen, reagierte der Cop kaum und unternahm keinen Versuch, sie gegen das Blitzlichtzucken abzuschirmen. Das hätte ihn stutzig machen sollen.
    Der Paparazzo schob sich näher heran und fing die Bahre ab, als sie mit vibrierendem Quietschen auf das offene Heck des Krankenwagens zurollte. Wie versprochen, zog Jimmy Campo
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