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Sternchenhimmel

Sternchenhimmel

Titel: Sternchenhimmel
Autoren: Carl Hiaasen
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das Laken herunter und trat aus dem Weg.
    »Cherry!«, brüllte der Fotograf das schlaffe Gesicht an. »Cherry, Baby, wie wär’s mal mit einem Riesenlächeln für deine Fans?«
    Die Augen der jungen Frau standen weit offen und wirkten desinteressiert. Sie waren weder meergrün, mintgrün, erbsengrün noch von irgendeinem anderen Grünton. Sie waren braun.
    »Verdammt noch mal«, fluchte der Fotograf und senkte seine Nikon. Die Frau auf der Trage grinste hinter ihrer Sauerstoffmaske und warf ihm eine Kusshand zu.
    Der Fotograf packte Jimmy Campo am Arm. »Gib mir meine Kohle zurück!«, schrie er.
    »Mister, ich hab keinen Schimmer, wovon Sie reden«, erwiderte der Rettungshelfer und beförderte den verschwitzten Widerling mit einem Ellenbogencheck zurück in den Schatten.
    In einem von einem Chauffeur gelenkten schwarzen Chrysler Suburban, der in Richtung Jackson Memorial Hospital den MacArthur Causeway hinunterraste, übergab sich eine als Cherry Pye bekannte junge Sängerin geräuschvoll in einen versilberten Eiskübel. Ihr richtiger Name war Cheryl Bunterman, eins der vielen eisern gehüteten Geheimnisse ihres Lebens. Seit ihrem vierzehnten Lebensjahr, als sie zum ersten Mal in einem zweifelhaften Cowgirlkostüm im Nickelodeon Network zu sehen gewesen war, war Cheryl Bunterman allen und jedem als Cherry Pye vorgestellt worden.
    Die Person, die sich diesen schamlos pseudopornografischen Namen ausgedacht hatte, saß neben Cherry Pye auf der dritten lederbezogenen Sitzbank des großen Geländewagens und strich ihrer Tochter über das verkrustete blonde Haar. »Geht’s dir jetzt besser?«, erkundigte sich Janet Bunterman tröstend.
    »Nein, Mama, mir geht’s beschissen.« Cherry wimmerte, kotzte und döste dann halb sitzend und halb liegend wieder ein. Sie trug einen weißen Frotteebademandel – eine Aufmerksamkeit des Stefano Hotels – und nichts darunter. Selbst halb weggetreten umklammerten ihre kleinen Hände mit den geröteten Fingerknöcheln noch immer den Rand des Eiskübels.
    Janet Bunterman hatte schon vor langer Zeit beschlossen, die wahllose Hingabe ihres Sprösslings an Drogen und Alkohol zu ignorieren. Bei dieser speziellen Gelegenheit entschied sie, dass eine späte Mahlzeit aus verdorbenen Muscheln schuld an Cherrys gegenwärtiger Unpässlichkeit war. Außer ihr und Cherry saßen im Wagen noch ein Arzt aus South Beach, zwei PR -Managerinnen mit versteinerten Mienen, ein Haarstylist und ein bulliger Bodyguard namens Lev, der behauptete, früher beim Mossad gewesen zu sein.
    »Wer hat überhaupt diese ekligen Muscheln beim Zimmerservice bestellt?«, verlangte Janet Bunterman zu wissen.
    »Cherry«, sagte Lev.
    »Unsinn«, fauchte die Mutter des Superstars.
    »Und die beiden Whiskeyflaschen auch.«
    »Lev, wie oft habe ich schon gesagt, Sie sollen nicht einfach den Notruf wählen. Als wäre sie irgendeine … Zivilistin.«
    »Ich dachte, sie stirbt«, wandte der Leibwächter ein.
    »Oh, bitte. Wir hatten doch schon so viele solcher Gastritis-Anfälle.«
    Der Arzt betrachtete seine neue Patientin mit ausdruckslosem Gesicht, doch die beiden PR -Managerinnen, die eineiige Zwillinge waren, wechselten verdrießliche Blicke. Der Stylist gähnte wie ein Gepard.
    »Diesmal war’s schlimmer«, beharrte der Bodyguard.
    »Das reicht«, entschied Janet Bunterman. »Regen Sie sie doch nicht noch mehr auf.«
    »Fragen Sie den Doc. Es war schlimm.«
    »Ich habe gesagt, es reicht. Viele junge Mädchen haben Magenprobleme. Stimmt’s, Dr. Blake?«
    »Schauen wir mal, was bei den Untersuchungen im Krankenhaus rauskommt.« Der Arzt war diplomatisch; er wusste ganz genau, was im Blut und im Urin von Cherry Pye auftauchen würde. Als er ins Zimmer 309 des Stefano getreten war, hatte er das Starlet splitternackt und voller Sonnenblumenkernhülsen auf dem Teppich vorgefunden, wo sie zuckte wie eine krepierende Kakerlake. Der Bodyguard hatte den Arzt beiseitegenommen und ihm eine Aufstellung sämtlicher Substanzen gegeben, die die junge Frau seines Wissens nach im Laufe des Abends konsumiert hatte, sowie jeweils die ungefähre Menge. Der Arzt hatte den aufrichtigen Wunsch, diese Leute los zu sein, bevor die dreihundert Milligramm Dulcolax zu wirken begannen.
    »Also, unsere Annie hat uns auf jeden Fall gerettet«, meinte Janet Bunterman in heiterem Tonfall.
    »Das ist ja auch ihr Job«, stellte eine der PR -Managerinnen kühl fest.
    Die andere sagte: »Eigentlich hatte sie heute Abend frei. Wir hatten Glück.«
    »Ann ist
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