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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot
Autoren: Bernhard Aichner
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Eins
     
    Wie sich die Erde bewegt. Wie langsam eine Hand nach oben kommt, Finger, die zweite Hand, knochig, und dieses Gesicht, von Würmern zerfressen. Eine Fratze, Augen, die schreien, Augen, die töten. Wie er aus dem Grab steigt. Und neben ihm noch einer, und noch einer. Wie sie ihre Zähne fletschen und über den Friedhof hinken. Wie Max und Baroni sich die Bäuche halten vor Lachen.
    Im Friedhofsgarten die große Leinwand, übriggeblieben von der letzten Europameisterschaft, ein Beamer, zwei Freunde trinken Bier und schauen Zombiemassaker .
    Ein Muss für einen Totengräber, hat Baroni gesagt.
     
    – Und?
    – Ein sehr schöner, ruhiger Film, Baroni.
    – Ich wusste, dass dir das gefällt.
    – Das ist ganz großes Gefühlskino.
    – Was wohl Stein dazu sagt?
    – Er packt gerade seine Koffer. Morgen ist Stein Geschichte.
    – Er fährt also tatsächlich zur Kur, unser Herr Pfarrer.
    – Der kommt nicht wieder.
    – So leicht wirst du den nicht los, Max.
    – Burnout, der kommt nicht mehr.
    – Darauf trinken wir.
    – Er sagt, ich bin dafür verantwortlich.
    – Wenn er das sagt, wird es wohl so sein. Er ist schließlich Pfarrer.
    – Er ist ein dummer alter Mann.
    – Dann hoffen wir mal, dass etwas Besseres nachkommt.
    – Der Neue ist nett, ich habe ihn in die Sauna eingeladen.
    – Der neue Pfarrer geht mit euch in die Sauna?
    – Warum nicht? Er kommt aus Afrika, der ist die Hitze gewöhnt.
    – Depp.
    – Er kommt wirklich. Er scheint sehr bemüht zu sein um seine neuen Schäfchen.
    – Ihn stört das nicht, dass im Friedhofsgarten eine Sauna steht?
    – Muss nicht jeder so ein Idiot sein wie Stein.
    – Ein Schwarzer?
    – Ja, das Dorf lebt seit Tagen in Angst, die alten Damen am Friedhof sagen, der Bimbo wird Unglück über die Gemeinde bringen.
    – Bimbo?
    – Die alte Apothekerin hat sogar Neger gesagt.
    – Ungeheuerlich. Ich sage es immer wieder, du hättest mein Angebot annehmen sollen, Wien wäre besser für dich.
    – Lass gut sein, Baroni.
    – Das Angebot steht nach wie vor, du kannst die leerstehende Wohnung kostenlos haben, du lebst zwei Wochen im Monat kultiviert in Wien, und die anderen beiden Wochen kannst du immer noch hier mit deinen Leichen spielen.
    – Du musst nicht jedes Monat wieder damit anfangen, mein Freund. Ich habe mich entschieden und die Entscheidung war richtig.
    – Du gehörst nicht auf diesen Friedhof, ich werde dir das noch hundertmal sagen. Totengräber, das ist doch kein Beruf für einen jungen, attraktiven Mann. Stell dir doch mal vor, was wir gemeinsam in Wien bewegen könnten. Du und ich. Johann Baroni und Max Broll.
    – Wenn du nicht gleich still bist, mache ich das hier auch mit dir.
    – Was?
    – Hast du das nicht gesehen?
    – Was denn?
    – Sie haben dem armen Zombie einfach den Kopf abgerissen.
    – Ups.
     
    Sie stoßen an, schlagen ihre Bierflaschen freundschaftlich aneinander, die Dachterrasse des Friedhofswärterhauses ist der schönste Platz auf der Welt, der Abend ist lau. Blut fließt. Die Zombies verspritzen ihr Innerstes, aus der Lautsprecherbox neben ihnen kommen angsterregende Geräusche, der Friedhof auf der Leinwand färbt sich rot. Max schüttelt grinsend den Kopf und holt Bier.
    Es ist kurz vor Mitternacht. Hanni hat sich verabschiedet, als sie hörte, welchen Film sie sich ansehen wollten.
    Männerabend, sagte Max.
    Saufköpfe, sagte Hanni.
    Sie umarmte ihn, als sie ging. Max vermisst sie, ihren Körper, ihre Haut, wie sie lacht. Kurz nur, er denkt an sie, lächelt. Er kommt zurück auf die Terrasse, immer noch laufen Tote zwischen den Gräbern herum, immer noch steigen sie aus dunklen Löchern, zerfetzen und zerreißen einander.
    Baroni lacht. Max schaut hinunter auf seinen Friedhof, auf die Gräber, die Kreuze, die Kerzen. Gräber sind für ihn Alltag. Dass er Löcher für tote Menschen macht, ist für ihn selbstverständlich. Mit Toten ist er aufgewachsen, mit Knochen, die mit der Erde nach oben fliegen, mit weinenden Gesichtern, mit Blumenkränzen.
    Von seiner Terrasse aus kann er den gesamten Friedhof überblicken. Beste Aussicht, schönes Leben. Rechts von der Friedhofsmauer, direkt unter ihnen, breitet sich sein Garten aus, neben der Blocksauna steht das zusammengenagelte Gerüst mit der Leinwand, an den Garten angeschlossen thront das Pfarrhaus, gegenüber erstrahlt Baronis Villa, ein architektonisches Meisterwerk, der Zweitwohnsitz des Mannes, der früher als Fußballer ein Vermögen verdient hat, ein Prachtbau, moderne
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