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Das Phantom der Freiheit

Das Phantom der Freiheit

Titel: Das Phantom der Freiheit
Autoren: Kurt Luif
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Der Psychoblock
     
    Kein Mensch sah zu, als Roderick Liffcom seine Braut über die Schwelle trug. Sie waren ein nettes junges Paar – Roderick ein Psychologe und Alison eine Sekretärin. Niemand kannte sie. Nichts deutete darauf hin, daß der Name Liffcom in ein paar Tagen weltweit bekannt sein würde, das Etikett an einem Fall, der jeden interessierte.
    Sehen wir uns die beiden gut an, solange wir die Gelegenheit haben und bevor die Menge sie umringt. Roderick war groß und kräftig genug, die hundertfünfzehn Pfund seiner Frau mit Geringschätzung zu handhaben, aber es war keine Geringschätzung in der Art und Weise, wie er sie hielt. Er trug sie, als ob sie eine Million Dollar in kleinen Scheinen wäre und ein starker Wind bliese. Er blickte in ihr Gesicht, und sein Herz war in seinen Augen. Er hatte dunkles Haar und dunkle Augen, und man sah auf den ersten Blick, daß er jedes Mädchen, das ihm gefiel, hätte über die Schwelle tragen können.
    Alison schmiegte sich wie eine junge Katze in seine Arme, die Augen halb geschlossen, ihre Arme um seinen Hals. Sie war blond und hatte sehr schöne Augen, von ihren übrigen Vorzügen nicht zu reden. Und es war mehr als nur Schönheit an ihr. Es mochte Verstand sein, oder Mut, oder jene innere Stärke, die von harten Erfahrungen kommt. Man sah auf den ersten Blick, daß sie jeden Mann, der ihr gefiel, hätte dazu bringen können, sie über die Schwelle zu tragen.
    Als die Tür hinter ihnen zufiel, war es das Ende einer Geschichte. Aber wir wollen es anders machen und es den Beginn nennen.
     
    Am Morgen, als sie beim Frühstück waren, hatte das Bild sich nicht sehr verändert. Das heißt, Roderick war ziemlich anders, unrasiert und verschlafen und in einem braunen Bademantel, und Alison trug einen blaßgrünen Morgenmantel aus fast durchsichtigem Stoff, der sie wie eine Wolke umwehte. Aber die Art und Weise, wie sie einander ansahen, hatte sich nicht geändert – noch nicht.
    »Da gibt es etwas«, bemerkte Alison beiläufig, während ihr schlanker Zeigefinger Muster auf das Tischtuch zeichnete, »das ich dir vielleicht sagen sollte.«
    Zwei Minuten später kämpften sie um das Telefon.
    »Ich will meinen Anwalt rufen«, bellte Roderick.
    »Ich will meinen Anwalt anrufen«, versetzte Alison.
    Er hielt inne, die Nummer halb gewählt. »Kannst du nicht«, sagte er grob. »Es ist derselbe Anwalt.«
    Sie erholte sich zuerst, wie immer. Sie lächelte sonnig. »Wollen wir eine Münze werfen, wer ihn kriegt?« schlug sie vor.
    »Nein«, sagte Roderick hart. »Er ist mein Anwalt. Ich kann ihm mehr zahlen als du.«
    »Richtig«, sagte Alison. »Ich werde meine Sache selbst durchfechten.«
    »Ich auch!« rief Roderick und warf den Hörer auf die Gabel. Sofort riß er ihn wieder hoch. »Nein, wir werden ihn brauchen, um die Dinge in Bewegung zu bringen.«
    »Heimliches Einverständnis?« fragte Alison freundlich.
    »Es war niedrig, gemein, schmutzig, hinterhältig und abscheulich von dir, zu warten, bis ...«
    »Bis was?« fragte Alison unschuldig.
    »Androide!« fauchte er sie an.
    Ihre Augen blitzten zornig zurück.
     
    Die Zeitungen posaunten es laut hinaus: MENSCH REICHT SCHEIDUNGSKLAGE GEGEN ANDROIDEN EIN. Es war keine sehr sensationelle Schlagzeile, und man fragte sich, warum ein Mensch, der sich von einem Androiden scheiden lassen wollte, einen Artikel auf der Titelseite verdiente. Schließlich bestand die Hälfte der Weltbevölkerung aus Androiden. Jeden Tag wurden Menschen von Menschen, Menschen von Androiden, Androiden von Menschen und Androiden von Androiden geschieden.
    Aber es bedurfte keiner besonderen Intelligenz, um zu begreifen, daß es mit diesem Fall eine eigene Bewandtnis haben mußte.
    Die Meldung lautete: »Everton, Dienstag. Mit der ersten Scheidungsklage eines Menschen gegen einen Androiden seit Inkrafttreten der vollen rechtlichen Gleichstellung der Androiden wird heute ein Kapitel Justizgeschichte geschrieben. Zugleich ist es der erste Fall, in dem das Scheidungsbegehren damit begründet wird, daß der menschliche Ehepartner nicht wußte, daß der andere ein Androide ist. Dies wurde nur möglich, weil das Gleichstellungsgesetz die Verpflichtung abschaffte, in allen Verträgen auf eine etwaige Androidenabkunft hinzuweisen.
    In Anbetracht der Bedeutung, die dieser Präzedenzfall in Zukunft für Millionen Bürger haben wird, hat Vierundzwanzig Stunden beschlossen, ausführlich über das Verfahren zu berichten, das Freitag eröffnet wird. Unsere
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