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Einzelkaempfer

Einzelkaempfer

Titel: Einzelkaempfer
Autoren: Sinje Beck
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    Tach auch,
     
    gestatten, ich bin der Heiner. Heiner Himmel. Initialen HH, gesprochen haha, aber zum Lachen ist das nur für andere, nicht für mich. Selbst der alte Lehrer in der Berufsschule ließ es sich nicht nehmen, mich mit Himmelarschundzwirn zu rufen, wenn ich mal einen Moment unaufmerksam war. Die Braunen aus der Metzgerklasse, quer übern Flur, riefen gerne Himmler statt Himmel und die Mädels, ja die Mädels aus der Frisörklasse hatten genug damit zu tun, sich über meinen Vornamen lustig zu machen. Alle Mädchen lieben Jungs, nur Heiner, den bumst keiner. Keiner, wohlgemerkt – zum Glück, dacht ich dann immer. Doch über die Frotzeleien bin ich nun hinweg, ehrlich. Es macht mir nichts mehr aus. Eines Tages sagte ich mir, Heiner, du kannst dich nicht ein Leben lang für die Einfallslosigkeit deiner Eltern ärgern. Think positiv, es hätte ja auch viel schlimmer kommen können, Heinrich statt Heiner oder so. Nur die Koseform verbitte ich mir noch heute. Ich will nicht Heini gerufen werden. Geben Sie es zu, Sie denken dann auch gleich an den schlaksigen, bisweilen verträumten Postboten aus der Kinderserie ›Neues aus Uhlenbusch‹. Mit dem habe ich nun wirklich keine äußerliche Ähnlichkeit.
     
    Bei aller Bescheidenheit, mein Körperbau ist eines der wenigen Dinge, auf die ich stolz bin. Alles hart erarbeitet. So oft es geht, fahre ich Fahrrad. Seit ich meinen alten Renault verkauft habe muss ich es sogar immer dann, wenn ich die Tristesse dieses kleinen Dorfes, hier sieht es heute noch so aus wie vor 25 Jahren in Uhlenbusch, hinter mir lassen will. Auch auf mein volles Haupthaar kann ich mir in meinem Alter was einbilden. Viele mit 44 Jahren laufen ja schon mit weit weniger Haaren rum, vergleicht man die Menge mit jener, mit der sie einst auf dieser Erde gestartet sind. Klar, ich bin auch nicht mehr kastanienbraun, eher graumeliert. Aber auch das ist hart erarbeitet. Jedes silbrig glänzende Haar zeugt für die Art von Kummer, der einem ausschließlich von Frauen zugefügt werden kann. Sie wissen nicht wovon ich rede? Dann gehören Sie zu den seltenen Exemplaren, die noch nie geschieden worden sind, keine herrische Mutter hatten oder Sie haben das Glück und sind schwul. Wobei es da auch nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen zugehen soll – hab ich mir sagen lassen. Na, lassen wir das. Mann kann sich ja von allen Annäherungen fern halten. Dazu lege ich mir ein gewöhnungsbedürftiges Äußeres zu. Seit meiner Scheidung war ich nicht mehr beim Frisör (die parfümierten Tussis mochte ich eh noch nie – alte Abneigung) und jetzt trage ich mein Haar schulterlang.
     
    Was den Bart angeht, bin ich noch nicht ganz sicher, ob ich ihn behalten soll. Manche Frauen schreckt der ab, was durchaus in meinem Sinne ist, kleben am Abend doch sämtliche Gerüche des Tages darin. Das ist nicht das Problem. Doch im Sommer ist so ein Pelz im Gesicht manchmal unangenehm, vor allem, wenn man es nicht gewohnt ist. Aber jetzt ist erst mal Winter angesagt und ich bin jeden Tag froh, dass mir die Backen nicht abfrieren, wenn ich von meinem Aushilfsjob an der Raststätte ›Kalteiche‹ die nicht nur so genannt wird, sondern wo tatsächlich oft ein eklig kalter Wind pfeift, mit meinem MTB den Berg runter rausche. Nein, mir wurde nicht der Lappen abgenommen wegen Trunkenheit, obwohl so manch einer in meiner Lage zur Flasche greifen würde, nicht ich. Ohne Auto lebt es sich billiger. Der alte Renault, den Marie mir gütigerweise mit den Worten: die Schrottlaube kannst du behalten, überlassen hat, hätte geschweißt werden müssen, um noch mal über den TÜV zu kommen. Stattdessen habe ich den Wagen samt den Erinnerungen an den Sohn meines Vermieters weitergegeben. Der gab mir dafür seinen alten PC und seit kurzem bin ich online. Wow, was sich da alles im Netz tummelt, würde offen ausgelebt sicher eingesperrt werden. Für so ein einsames Seelchen wie mich, die richtige Umgebung. Denn stets kann ich mir sagen, gut, dass du von solchen Bekundungen, wie beispielsweise ›Suche Frau zum Fersenlecken‹, meilenweit entfernt bist. Da gibt’s ja jede Menge arme Säcke und ›haste nicht gesehen‹.
     

2
    Inseriert habe ich allerdings auch, aber in den Jobbörsen. Das einzig Gute an meiner Arbeitslosigkeit ist ja nur, das meine Ex nichts fordern kann. Aber an und für sich ist dieser Zustand nicht erstrebenswert. 44 Jahre und schon abgeschrieben, denkste oft. »Herr Himmel«, sagte der Boss vor vier Jahren, »wir verlegen
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