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Einzelkaempfer

Einzelkaempfer

Titel: Einzelkaempfer
Autoren: Sinje Beck
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wische und wringe, bis alle Tische blank sind und blitzen, bereit den nächsten kleckernden Passanten als kurzfristige Stütze in ihren Fastfoodleben zu dienen. »Seniore, avanti – der Boden!«
     
    Müde falle ich abends vom Fahrradsattel auf das alte, beige Cordsofa. Was hatte ich erwartet? Alles und nichts, wenn ich ehrlich bin. Geträumt hatte ich davon, dass eine hübsche Frau mich engagiert, gedacht hatte ich, dass mich niemand engagiert. Beides wurde nicht erfüllt und deshalb sitze ich nun hier und fühle mich befremdet. Einzig beruhigend ist die bleierne Schwere in meinen Beinen, so sollte es sich anfühlen, nach einem Tag rechtschaffener Arbeit. Einmal Arbeiter immer Arbeiter, seufzt es in meinen Gedanken. Habe ich mich jetzt vollkommen zum Affen gemacht, oder eine Marktlücke entdeckt? Unter der Dusche denke ich einen Augenblick lang darüber nach, ob ich den Text auf meinem Schild: NIMM MICH MIT, weniger progressiv gestalten sollte. Zumindest könnte ich über meine Comicfiguren in der linken Ecke des Plakates, ein kleines androgynes Menschchen schleift einen langen Kerl hinter sich her, noch mal nachdenken. Nee, beschließe ich sauber und frottiert bei einer Flasche alkoholfreiem Bier. Die erste Idee ist oft die beste, zumal, wenn einem eh nichts Grandioseres einfällt. Daher stelle ich das Schild wieder unter die Schräge, so wie es ist und bin doch noch zufrieden mit dem Abschluss meines ersten Tages als freier Unternehmer. Vierzehn Euro, ein zufriedenes Mädchen, die Begegnung mit dem gebenden Bettler, eine saubere Pizzabude und im Herzen die Hoffnung, dass es morgen besser laufen wird. Aufgeben war eine aber nicht meine Sache. Jawohl – bekräftige ich mich bevor mir die Augen zufallen.
     

7
    Dienstagmorgen, frisch ans Werk. Ich habe gut geschlafen und bin so lange gut gelaunt, bis ich mich auf mein Rad schwinge. Es ist platt und zwar völlig platt. Das kann man gebrauchen wie einen Kropf. Schneller als ein Ferrari auf 100 ist meine Stimmung auf dem Nullpunkt. Könnte mich glatt in den Allerwertesten beißen. Neulich hatte ich im Baumarkt zugunsten einer Leselampe auf das Radflickset verzichtet, denn ich war wie so oft leidlich knapp bei Kasse. Ein für einen Radfahrer im Himalaja tödlicher Fehler: kein Flickzeug. Nicht im Himalaja sondern in der Nähe von Haiger befindet sich mein Standort, doch meine Lage ist nicht weniger aussichtslos. Ich überlege, ob mir Rudi von der Kalteiche noch etwas schuldet oder ob ich einen Teil meines gestrig erworbenen Betriebskapitals schon verbraten und mich in die andere Richtung, gen Haiger, aufmachen soll, um mir Flickzeug zu besorgen. Meine grauen Zellen unter dem halbgrauen Schopf arbeiten sich warm. Im Dezember letzten Jahres hatte mir Rudi von der Raststätte Naturalien versprochen, statt eines Umschlages mit ein wenig Weihnachtsgeld. Wer sein Fahrzeug liebt, der schiebt.
     
    Nach rund einer halben Stunde steilen Bergaufschiebens pfeifen meine Bronchien ›Glorie Hallelujah‹, denn es ist saukalt, windig und eklig feucht auf dem Weg zur Kalteiche, ein mit der Haincher Höhe 18 km langer und 5 km schmaler Höhenzug zwischen den Flüssen Dill und Sieg. Höhenzug, welch treffliche Bezeichnung, sinniere ich, als ich auf der Höhe anlange, trotz des Zuges. Irgendwie hatte ich immer Gegenwind, so mein Eindruck. Meine Nase tropft in den Bart während ich das lahme Pferd vor der Tanke abstelle. Ich rupf mir ein raues Papier aus der Handtuchbox und betrete schniefend den Shop. Rudi ist nicht da, er käme aber in 30 Minuten, sagt seine Frau. Klar könnte ich mir das Flickzeug nehmen, das ginge schon in Ordnung. Der Rudi hat eine Sahne, eine Susanne. Sie ist eine klasse Frau, steht voll hinter ihrem Mann, seinem Job, seiner Tank-Raststätte und jetzt hat er sich auch noch den Abschleppdienst dazu geholt. Und hier an der A 45 gab es immer genug zum Abschleppen. Auffahrunfälle durch zu wenig Abstand bei regelmäßigem Nebel, Rutschpartien durch häufig überfrierende Nässe und das bei einer für einen Abschleppdienst lukrativen Höhenlage von 500 bis 600 Metern. Die günstige Schneefallgrenze erwischt manch Reisenden auf dem falschen Fuß. Trotz anhaltender Baumaßnahmen und damit verbundener Geschwindigkeitsbegrenzungen in Rudis Zuständigkeitsbereich hatte er ordentlich zu tun. Seit 20 Jahren sind Rudi und Susanne verheiratet. Wir kennen uns schon lange, hatten aber ebenso lange kaum etwas miteinander zu tun, erst als ich in die Arbeitslosenlage kam und mir
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