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Einzelkaempfer

Einzelkaempfer

Titel: Einzelkaempfer
Autoren: Sinje Beck
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und lachen über ihren genialen Witz. Typen mit breiten, blonden Strähnchen, also ich weiß ja nicht. Das war um 10 Uhr, eine halbe Stunde nachdem die Galerie ihre Pforten geöffnet hatte.
     
    Jetzt ist es zwölf und mein Magen knurrt. Verdient habe ich noch nichts. Niemand hat mich mitgenommen an diesem Montag, den 3. Januar, in meiner neuen Anstellung. Man solle Geduld mitbringen und seine Frustrationstoleranz erhöhen, hieß es auf dem Gründerseminar. Mein Kopf schmerzt erbärmlich. Vielleicht sollte mein Outfit etwas besser sein, eine neue Hose vielleicht und eine nicht so abgewetzte Jacke wären fürs Erscheinungsbild eventuell besser. In der Tasche meiner etwas ausgeblichenen Jeans fühle ich meinen letzten Geldschein. Zwanzig Euro. Essen oder Kleiden, das ist hier die Frage. »Was kannste denn?«, werde ich aus meinen existenziellen Gedanken gerissen. Vor mir steht ein kleines Mädchen und guckt mich neugierig an. Sie wird so eben lesen gelernt haben, schätze ich. »Was brauchste denn?«, frage ich ebenso neugierig wie sie. »Ich brauch ’nen Erwachsenen, der mir die doofe Barbie umtauscht. Die ist noch original verpackt und den Kassenzettel hat meine bescheuerte Tante auch dran gelassen. Wenn du mir hilfst kriegste zwei Euro, aber nur, wenn die mir das Geld zurückgeben. Ist klar, ne?« Ich lehne das Geld dankend ab, das Mädchen zieht eine Schnute, bis ich ihr sage, dass ich ihr helfe, auch ohne Bezahlung. Welches clevere Mädchen braucht schon eine Barbie, denk ich mir. Die junge Dame zieht mich ungeduldig am Ärmel durch die großen Türen des modernen Konsumtempels, drängelt mit mir über die Rolltreppe nach unten und gemeinsam betreten wir den Spielzeugladen in der Galerie. Nach zähen Verhandlungen rückt die Verkäuferin das Geld raus. Meine Begleiterin ist überglücklich und besteht darauf mich zu bezahlen. Ich will aber kein Geld von ihr. »Ich werde dich empfehlen«, sagt sie altklug und hüpft davon. Na hoffentlich kommt jetzt nicht ihre ganze Schulklasse her, wobei, warum eigentlich nicht. Kinder haben Eltern, meistens, und wenn sich erst mal herumgesprochen hat, welch zäher Verhandlungspartner ich bin, wer weiß, vielleicht darf ich morgen schon Colliers und dergleichen umtauschen, dann aber mit Beteiligung.

5
    Ich gönne mir eine erste Pause und setze mich auf die Bank beim Spuckbrunnen. Ein interessantes Wasserspiel, bei welchem das Nass mal aus dieser Röhre, dann aus jener wie gespuckt kommt, wenn es nicht gerade mittig heraussprudelt. Beruhigend, sehr beruhigend, wenn ich nicht aufpasse, werde ich hypnotisiert. Das Wohlstandsgejammer und Geschrei eines Kindes: »Warum kriegt Marvin immer das größte Stück?«, reißt mich zurück ins Hier und Jetzt. In der Kaufhöhle ist es nicht so kalt wie draußen und ich beschließe hier zu bleiben, ziehe mein Schild wieder über, fahre ins Erdgeschoss und warte. Auf die Polizei, wie sich nach einer Stunde herausstellt. Jemand vom Management des Einkaufsparadieses, für alle, die Einkommen haben, hat die zwei Sherrifs auf mich aufmerksam gemacht. Betteln und Hausieren sei verboten. Da ich weder bettle, noch hausiere, trifft mich dieses Verbot nicht, entgegne ich selbstbewusst. Ob ich einen Gewerbeschein hätte. Brauch ich nicht, ich sei Freiberufler, kontere ich und fiele somit unter die Kleinunternehmerregelung, so dass ich auch keine Umsatzsteuer leisten müsse. »Sie können mir nichts!«
    Das erklärte ich im Brustton der Überzeugung und beschloss, mir in der Buchhandlung im Obergeschoss von meinem ersten Gewinn ›Rechtsgrundlagen für Geringverdiener‹ oder so was in der Art zu besorgen. Es hatte sich eine kleine Menschentraube gebildet, die den Wortwechsel gespannt verfolgte und den Zugang einer Bäckerei blockierte. Sie könnten mir einen Platzverweis aussprechen, drohen die Beamten. Auf die Frage ins Forum, wen meine Anwesenheit denn störe – erwartungsvoll und ein bisschen angstvoll blicke ich in die Gesichter – meldet sich niemand. Nein, Sympathie würde ich das jetzt auch nicht gerade nennen, was mir aus dem Publikum entgegenschlägt, eher eine Art Teilnahmslosigkeit zu meinen Gunsten. »Wir behalten Sie im Auge«, meint der eine noch und nimmt meine Personalien auf. Kein Problem, ich hatte eh nicht vor meine Nebeneinkünfte dem Arbeitsamt zu verschweigen. Mein Magen knurrt hörbar. Ein Clochard löst sich aus der gesichtslosen, gaffenden Menge und schenkt mir eine Banane. Bevor ich ›Danke‹ sagen kann, verschwindet er
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