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Einzelkaempfer

Einzelkaempfer

Titel: Einzelkaempfer
Autoren: Sinje Beck
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unter die Arme zu greifen? Ich könnte ein Netzwerk aufbauen, postiere meine Leute vor den Discountern, die ihre Kunden mit unverständlichen, schlecht aus dem taiwanesischen übersetzten Anleitungen aus den breiten Glastüren entlassen. Heiner, du spinnst, sagte meine Deutschlehrerin oft, immerhin mit einem freundlichen Lächeln, übergab mir den Aufsatz mit einer Vier darunter. Vier, die Zwei des kleinen Mannes.
     

6
    Jetzt habe ich ihn entdeckt, den Gucker. Vor dem
    s. Oliver-Laden steht ein älterer gut gekleideter Herr und beobachtet mich ungeniert. Er zwinkert mir zu, ist es zu glauben. Nee, so einer bin ich nicht. Mir wird ein wenig unwohl. Der wird doch nicht hierüber kommen. Er winkt in meine Richtung. Neben mir winkt ein hübscher Junge zurück und greift in seine Hose, holt eine Münze hervor und will sie mir geben. »Nein danke«, sage ich, »ich suche einen Job keine Almosen.« Der Junge steckt das Geld wieder ein und wünscht mir gutes Gelingen. Sein älterer Freund nimmt ihn in Empfang und sie verschwinden in dem Mode-Laden. Langsam verlässt mich die anfängliche euphorische Stimmung. Ob ich abbreche für heute? Du machst es dir manchmal zu einfach, sagte meine Oma mit einem Schmunzeln zu mir, als ich ihr beim Kartoffelnschälen helfen sollte, stattdessen Pellkartoffeln vorschlug – wohlwissend, dass sie einen Sechsjährigen keine heißen Kartoffeln anfassen ließ. Also, Heiner, auf ins Obergeschoss, ermuntere ich mich, da es sonst keiner tut.
    Ich beziehe Posten vor der Buchhandlung, so kann ich mit einem Auge die direkt zu vorderst ausgelegten Büchertürme studieren. Stunden später, so scheint mir, habe ich alles gelesen. Sieht nicht so aus, als würde noch einer meine Dienste benötigen. Gerade als ich mein Schild abstreife, kommt der Inhaber des Ladens, in dessen Nähe ich gestanden habe, auf mich zu. »Meine Putzfrau hat die Grippe, machen Sie auch sauber?« »Klar«, sag ich und die Freude, die über mein Gesicht huscht, bei diesem Jobangebot, scheint den Italiener zu befremden. Er zieht eine gezupfte Augenbraue hoch und zeigt mir die Putzutensilien, er hält mich vielleicht für pervers, da ich mich wirklich freue seine Pizza-eckenbude zu schrubben. Der Mann heißt Angelo, wie sonst, und verkauft den lieben langen Tag Pizza-ecken mit den unterschiedlichsten Belägen, die sich allesamt in Form einer schwarzen teerharten Kruste, so scheint es, im Ofen festgesetzt haben, wie ein Blick in das dunkle Loch verrät. Nein, der müsse erst abkühlen. Ich soll mit den Tischen anfangen. Ei verbibscht was klebt des Zeuch – Margarita auf Marmor, Kaugummi zwischen Käse, Artischockenherzen in Amarettopfützchen. Angelo wirft mir einen Schaber zu. Erst mal die Tische von grober Verunreinigung frei kratzen. Ich entscheide mich doch für die gelben Gummihandschuhe, in denen sicherlich noch die händeringende Feuchtigkeit der vor mir Putzenden konserviert ist. Ich stelle mir vor, dass es sehr schöne, zartgliedrige Finger waren, die in der baumwollgefütterten Gummihülle
    gesteckt haben, gepflegte Fingernägel. Frauenhände, die zärtlich und gleichsam kräftig den richtigen Druck an den, an meinen, dafür empfänglichen Körperstellen ausüben konnten. Ein wohliger Schauer überläuft mich, während ich eingetrocknete Tomatenhäutchen von Tischkanten kratze. Tomatenrot stelle ich mir die Lippen der Frau vor, die vor mir in diesen Handschuhen, im Schweiße ihres Angesichts, sich unter den Tisch gebückt um Reinlichkeit bemüht, die Unterseite des rauen Marmors mit Meister Proper von fettigen Fingerabdrücken, satter, zufriedener Männer befreit. Ich bin so wild nach deinen Erdbeermund, fällt mir der Titel eines Kinski-Romans ein, spermaspritzende Sabberlektüre, eimerweise.
     
    ›Du ... du ...
    ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
    ich schrie mir schon die Lungen wund
    nach deinem weißen Leib, du Weib.
    Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
    da blüht ein süßer Zeitvertreib
    mit deinem Leib die lange Nacht.
    Da will ich sein im tiefen Tal
    dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.‹
     
    Zitronenduft steigt mir plötzlich in die Nase. Angelo schiebt mir mit dem Schrubber einen dampfenden Putzeimer in die Kniekehlen und reißt mich in die klebrige Wirklichkeit und weg von François Villon und Klaus Kinski.
    Wahrscheinlich sind ihre Hände schrumplig und schrundig, ihre Lippen trocken und aufgesprungen. Ich streife die Handschuhe wieder ab und bekomme ein besseres Gefühl für den Feudel,
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