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Leg dein Herz in meine Haende

Titel: Leg dein Herz in meine Haende
Autoren: Julia Garwood
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letzten Platz besetzt war. Ein breiter Gang, der zu zwei Türen führte, teilte den großen Raum. Zu beiden Seiten standen zwei Deputies mit Gewehren. Rebecca bemerkte noch eine andere, kleine Tür, die der Tür des Richterzimmers direkt gegenüberlag. Auch sie wurde von zwei Deputies bewacht.
    Endlich wurde sie in den Zeugenstand gerufen. Alle Blicke ruhten jetzt auf ihr. Hoch erhobenen Hauptes ging sie hinüber und rechnete schon fast damit, Applaus zu hören. Denn immerhin war sie im Begriff, die Vorstellung ihres Lebens zu geben.
    Richter Rafferty war so begierig, ihre Aussage zu hören, dass er die Abschlussplädoyers unterbrach, um Rebecca in den Zeugenstand zu rufen. Als sie an ihm vorbeiging, um ihren Platz hinter dem Geländer einzunehmen, musterte sie ihn verstohlen und kam zu dem Schluss, dass es nicht schwierig sein würde, ihn dazu zu bringen, ihr aus der Hand zu fressen. Rafferty war ein korpulenter Mann mittleren Alters, mit einer dicken Brille, die seine eulenhaften Augen fast dreimal so groß erscheinen ließ.
    Sie merkte, dass er von ihr sehr angetan zu sein schien. Er lächelte und gaffte sie an, und zufrieden dachte sie, dass alles so lief, wie sie es geplant hatte.
    Der Gerichtsdiener ließ sie gerade auf die Bibel schwören, als der verteidigende Anwalt aufsprang und das Wort ergriff.
    »Euer Ehren, das ist in höchstem Maße unüblich«, protestierte er. »Könnten Sie nicht warten, bis der Staatsanwalt und ich unsere Plädoyers beendet und die Geschworenen den Saal verlassen haben, um sich zu beraten? Mein Klient wird des versuchten Mordes angeklagt. Der Staatsanwalt will hier beweisen, dass mein Klient vorsätzlich und mit voller Absicht versucht hat, den Sheriff von Maple Hills zu erschießen. Eine Zeugenaussage, die nicht das Geringste mit diesem Fall zu tun hat, würde nur Verwirrung stiften.«
    Der Richter schien über die Unterbrechung verärgert zu sein. »Ich weiß, worum es geht. Glauben Sie vielleicht, ich hätte hier gesessen, Däumchen gedreht und Tagträumereien über Angeln nachgehangen, Mr Proctor? Ist es das, was ich Ihrer Meinung nach getan habe?«
    »Nein, Euer Ehren, ich habe nicht ...«
    Der Richter ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Was Sie zum Ausdruck bringen, Proctor, ist, dass Sie es nicht für relevant halten, was diese Zeugin hier zu sagen hat, aber ich versichere Ihnen, dass es das ist. Wenn Ihr Klient der ist, für den ich ihn halte, müssen die Geschworenen es erfahren, weil er dann nämlich auf der Flucht gewesen wäre und versucht hätte, den Sheriff - vorsätzlich und mit voller Absicht, wie Sie es nennen - aus dem Weg zu räumen.«
    »Aber Eure Ehren ...«
    »Mr Proctor, Sie verstehen scheinbar nicht. Niemand schreibt mir vor, was ich in meinem eigenen Gericht zu tun und zu lassen habe, und das gilt auch für ehrgeizige Anwälte wie Sie. Ich weiß, dass Sie noch jung und unerfahren sind und dass Sie alles zu wissen glauben, was es zu wissen gibt, aber ich lege hier meine eigenen Regeln fest. Und jetzt setzen Sie sich wieder, und seien Sie still, bis ich mit meiner Zeugin fertig bin. Haben Sie mich verstanden, junger Mann?«
    »Ja, Euer Ehren.«
    »Warum stehen Sie dann noch?«
    Die Menge brach in Gelächter aus, als Proctor in seiner Hast sich hinzusetzen, stolperte.
    Der Richter war alles andere als belustigt. Er schlug mit seinem Hammer auf den Tisch und verlangte Ruhe.
    »Ich will Ordnung in meinem Saal. Wenn ich noch einen Ton höre, lasse ich ihn räumen.«
    »Wie ich schon sagte, ich lege hier die Regeln fest, nicht Sie. Setzen Sie sich!«, fuhr er den jungen Anwalt an, doch als er sich nun zu Rebecca umdrehte, wurde seine Stimme sanfter.
    »Ich würde gern sofort zur Sache kommen und Sie befragen, aber das kann ich leider nicht. Zuerst möchte ich, dass Sie der Jury sagen, wer Sie sind und was Sie erlebt haben.«
    Endlich hatte sie ihren großen Auftritt! Die Hände auf dem Geländer, damit die Geschworenen sie sehen konnten, atmete sie tief ein und begann ihre Geschichte zu erzählen. Sie erklärte, warum sie in der Bank gewesen war, und beschrieb der Jury, was sie dort gesehen hatte. Die Tränen flossen mühelos, und ihrer Stimme haftete ein Zittern an, das sie mit Stolz erfüllte. Als sie ihren Bericht beendet hatte, war sie überzeugt, dass kein Auge in dem großen Saal trocken geblieben war.
    Der Richter war über die eindrucksvolle Schilderung der kaltblütigen Morde genauso erschüttert wie die Jury. Er saß mit hängenden Schultern an seinem
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