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Himmelsfelsen

Himmelsfelsen

Titel: Himmelsfelsen
Autoren: M Bomm
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    Ein Sommermorgen, wie es nur wenige gibt. Tau glitzerte wie Perlen
an den Gräsern, in der klaren Luft das Konzert der Vögel. Noch stand die Sonne jenseits
des Horizonts, doch der Himmel war bereits hell. Der einsame Jogger, der auf dem
Waldweg dahintrabte, genoss die Frische des heraufziehenden Tages. Seit einer dreiviertel
Stunde war er bereits unterwegs. Es gehörte schon einige Überwindung dazu, noch
bei Dunkelheit aufzustehen und sich auf den Weg zu machen. Doch inzwischen hielt
er es bereits seit zwei Jahren durch: Immer den schmalen Trampelpfad am Rande der
Schwäbischen Alb auf die Hochfläche hinauf, dort drei Kilometer auf der Ebene am
Steilhang entlang, danach hinab ins Tal und dort wieder heimwärts. Ein Rundkurs
von knapp acht Kilometern. Seine Freunde, denen er von diesem selbst auferlegten
Trainingsprogramm erzählte, reagierten entweder mit Anerkennung oder mit Unverständnis.
Ein Diskotheken-Besitzer, der morgens durch den Wald rennt! Eine geradezu absurde
Vorstellung. Doch er wusste, dass der Job nicht nur an den Nerven, sondern auch
an der Gesundheit zehrte. Für sportliche Betätigungen blieb dem 35-Jährigen sonst
kaum Zeit. Sein Lokal war stets bis um vier Uhr morgens geöffnet, den helllichten
Tag brauchte er, um auszuschlafen oder um sich ums Geschäft zu kümmern. Nur der
Dienstagmorgen bot ihm Gelegenheit zum Durchatmen, denn montags war seine Diskothek
geschlossen. Montags, das hatte sich ziemlich rasch gezeigt, nachdem er den Betrieb
vor fünf Jahren eröffnet hatte, war der schwächste Tag. Deshalb bot sich nur der
Dienstagmorgen für sein persönliches Fitness-Programm.
    Es war ein traumhafter Morgen. Der Jogger hatte
den Anstieg auf dem schmalen Pfad bereits hinter sich. Erste Schweißperlen standen
ihm auf der Stirn. Nun trabte er locker dahin, um sich herum das vielstimmige Zwitschern
der Vögel. Vor ihm lag jetzt der ebene Bereich, direkt am Rande des bewaldeten Hangs,
der hier rechts des Wegs steil ins Tal hinabfiel. Inzwischen hatte der Morgen die
kurze Sommernacht verdrängt. Der hell gewordene Himmel ließ einen strahlenden Tag
erwarten. Schon bald würden sich die Nebelschwaden verflüchtigen, die jetzt noch
vom feuchten Talgrund aufstiegen.
    Der Mann genoss diese Frische, die er nach
all den langen Disco-Nächten im Dunst von Zigaretten und im flackernden Laser-Licht
dringend benötigte. Hier fühlte er sich von allen Zwängen befreit und war ein anderer
Mensch. Da hatte er nichts mehr von dem energischen Auftreten eines Chefs an sich.
Der trügerische Glanz der Nacht war eine Sache, doch im Grunde seines Herzens liebte
er die Natur über alles. Mit der Übernahme der Diskothek in Ulm hatte er sich zwar
tief verschuldet, aber auch einen Traum erfüllt. Lange genug war er in der Gastronomie
tätig gewesen, hatte bedient und schließlich den Service an der Theke gemanagt.
Doch eine Lebensaufgabe hatte er darin nie gesehen. Jetzt kam freilich die Freizeit
viel zu kurz und er musste sich mit vielfältigen Problemen herumschlagen.
    Das alles ging ihm auch an diesem Morgen wieder
durch den Kopf. Jogging, das hatte er erkannt, war die beste Art, die Seele baumeln
und den Gedanken freien Lauf zu lassen. Gerade so ein Sommermorgen war dazu angetan,
ihn auch abzulenken. Wenn ein Häschen im hohen Gras einer Tannenschonung aufschreckte
und weghoppelte, wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Allerdings wunderte er sich,
wie wenig Wild ihm begegnete. Ganz selten auch hatte er bisher andere Frühaufsteher
getroffen. Eigentlich schade, dachte er sich. Wer die Natur um diese Zeit nicht
erlebt, versäumt etwas. Einmal, daran erinnerte er sich noch genau, war ihm ein
Jäger begegnet. Sie hatten miteinander geplaudert und sich über die Zunahme der
Wildschweine unterhalten.
    Seitdem blickte der Jogger immer wieder auf
die Hochsitze hinauf, die in großer Zahl entlang seiner Route an den Bäumen lehnten.
Doch den Jäger von damals hat er nie wieder getroffen.
    Manchmal war es ihm jedoch so, als seien auf
entfernteren Pfaden ebenfalls Menschen unterwegs, wenn es im Unterholz knackte oder
das Laub raschelte. Auch an diesem Morgen glaubte er, nicht allein zu sein. Jetzt,
im Juni, war jedoch die Natur voller Leben. Zu keiner anderen Jahreszeit, das hat
ihm der Jäger damals auch erzählt, entwickelt die Tier- und Pflanzenwelt so heftige
Aktivitäten, wie im Frühsommer. Nur einmal blieb er kurz stehen, um in den Morgen
hineinzulauschen. Aber der Hochwald um ihn herum gab sein Geheimnis nicht
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