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Leg dein Herz in meine Haende

Titel: Leg dein Herz in meine Haende
Autoren: Julia Garwood
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mindestens zwanzig Jahre älter als sie, aber er verhielt sich wie ein kleiner Junge, wann immer sie in seiner Nähe war.
    »Ich werde Sie auch vermissen, Franklin.«
    »Wollen Sie jetzt Ihr Konto auflösen?«
    Sie nickte und schob die zusammengefalteten Papiere durch die halbkreisförmige Öffnung in der Glaswand. »Ich hoffe, es ist alles in Ordnung.«
    Er nahm die Papiere an sich und überprüfte Unterschriften und Zahlen, bevor er seine Kasse öffnete und das Geld abzählte. »Vierhundertzwei Dollar ist eine Menge Geld, um es mit sich herumzutragen.«
    »Ja, das weiß ich«, stimmte sie ihm zu. »Ich werde gut darauf aufpassen. Keine Sorge, Franklin.«
    Sie streifte ihre Handschuhe ab, während er die Scheine ordnete, und als er ihr das kleine Päckchen durch die Öffnung zuschob, stopfte sie es rasch in ihren Beutel und zog die Bänder an.
    Franklin warf seinem Chef einen verstohlenen Blick zu, bevor er sich vorbeugte und seine Stirn ans Glas presste. »Die Messe sonntags wird nicht mehr dasselbe sein ohne Sie in der Bank vor Mutter und mir. Ich wünschte, Sie würden uns nicht verlassen. Mutter würde sich mit der Zeit bestimmt an Sie gewöhnen. Ich bin mir dessen ziemlich sicher.«
    Impulsiv griff sie durch die Öffnung und drückte seine Hand. »In der kurzen Zeit, die ich hier gelebt habe, sind Sie mir ein guter Freund geworden. Ich werde nie vergessen, wie gut Sie zu mir waren.«
    »Werden Sie mir schreiben?«
    »Ja, natürlich schreibe ich.«
    »Schicken Sie die Briefe in die Bank, damit Mutter sie nicht sieht.«
    Sie lächelte. »Ja, das werde ich.«
    Ein diskretes Hüsteln hinter ihr verriet, dass sie sich schon zu lange aufhielt. Mit einem entschuldigenden Lächeln nahm sie ihre Handschuhe und ihren Beutel und schaute sich dann suchend nach einer freien Stelle im Gedränge um, wo sie in Ruhe ihren Schuh zubinden konnte. In der Nische hinter der Schwingtür, die die Kundschaft von den Angestellten trennte, stand ein freier Schreibtisch. Gewöhnlich saß dort Lemont Morganstaff, doch wie Emmeline MacCorkle erholte auch er sich noch von der Grippe-Epidemie.
    Sie zog den Fuß ein wenig nach, um nicht wieder aus dem Schuh zu rutschen, als sie durch die Halle zu dem altersschwachen Schreibtisch vor den Fenstern ging. Franklin hatte ihr verraten, dass MacCorkle die gesamte Einrichtung aus dritter Hand von einer Druckerei erworben hatte. Sein Geiz musste ihn veranlasst haben, die Tintenflecke und die hervorstehenden Splitter im Holz zu übersehen, die nur auf eine unvorsichtige Hand zu warten schienen.
    Es war schändlich, wie MacCorkle seine Angestellten behandelte. Sie war sicher, dass er keinem seiner Leute ein anständiges Gehalt zahlte, denn der arme Franklin führte ein sehr bescheidenes Leben und konnte es sich fast nicht leisten, seiner Mutter das stärkende Tonikum zu kaufen, das sie offenbar so dringend brauchte, um bei Kräften zu bleiben.
    Einen Moment lang kam ihr der Gedanke, in MacCorkles funkelnagelneues Büro mit dem glänzenden Mahagonischreibtisch und den passenden Aktenschränken zu gehen, um ihm zu sagen, was für ein Geizkragen er war. Sie wollte ihn so sehr beschämen, dass er etwas an den beklagenswerten Bedingungen änderte, unter denen er seine Leute schuften ließ. Und vielleicht hätte sie es auch getan, wenn nicht die Möglichkeit bestanden hätte, dass MacCorkle glaubte, Franklin habe sie dazu angestiftet. Der Bankdirektor wusste, dass sie Freunde waren. Und daher wagte sie nicht, etwas zu sagen, und begnügte sich mit einem vernichtenden Blick auf ihn.
    Es war pure Zeitverschwendung; MacCorkle schaute in die andere Richtung. Prompt kehrte sie ihm den Rücken zu und zog den freien Schreibtischstuhl heran. Nachdem sie ihre Sachen auf den Stuhl gelegt hatte, raffte sie so damenhaft wie möglich ihre Röcke und bückte sich, um ihren Schuh zu binden. Sie richtete die Lasche ihres Schuhs, schob den Fuß wieder hinein und band rasch den steifen Schnürsenkel.
    Als das erledigt war, versuchte sie, aufzustehen, trat aber auf ihren Rock und wurde auf den Boden zurückgerissen, wo sie mit einem harten Aufprall landete. Ihr Beutel und ihre Handschuhe fielen auf ihren Schoß, als der Stuhl, gegen den sie gestoßen war, auf seinen Rollen zurückschnellte. Er knallte gegen die Wand, rollte zurück und prallte gegen ihre Schulter. Beschämt über ihre eigene Ungeschicklichkeit spähte sie verstohlen über den Rand des Schreibtischs, um zu sehen, ob jemand etwas bemerkt hatte.
    Drei Kunden
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