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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre
Autoren: Tom Sharp
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mehr wie Wölfe als wie Bluthunde.«
    Adelaide erfuhr von diesem Tratsch. Sie zerbrach sich nicht den Kopf darüber. Wohl aber über das viele Geld, mehr als sie jemals besessen hatten, und die Wirkung, die dies auf ihre Schwestern hatte. Die beiden unglücklichen Angler hatten im Haushalt der Gropes nur einen Sommer lang durchgehalten, und als Ergebnis war lediglich eine Scheinschwangerschaft vorzuweisen gewesen. Und die ständige Anwesenheit so vieler kraftstrotzender Minenarbeiter, die jeden Tag am Haus vorbeikamen, brachte sowohl die Frauen der Gropes als auch die Bullen völlig durcheinander. Erstere sehnten sich unentwegt nach einem Ehemann. Letztere nach nicht weiter im Detail ausgeführter Erfüllung.
    Nachdem sie dieses aufgestaute Verlangen mehrere Jahre lang ertragen hatte, erlaubte Adelaide den jüngeren Frauen der Familie schließlich, in die Welt hinauszuziehen, und stattete sie mit einer Apanage aus, die dem Lebensstil angemessen schien, den sie gewohnt waren. Die Bullen ließ sie klugerweise angekettet.
    Der Abgeschiedenheit von Grope Hall entkommen und von Adelaides Fuchtel befreit, fanden die jungen Frauen rasch Ehemänner und ließen sich in Städten und auf Höfen überall in Südengland nieder, mit Männern, die nichts von der Geschichte der Gropes ahnten. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, hatte Adelaide den Chefbuchhalter der Bergbaugesellschaft zur Ehe genötigt, indem sie publik zu machen drohte, dass er einen Teil seiner Bilanzfälschungen selbst eingestrichen hatte. Und ein Jahr später hatte sie, zu ihrer großen Freude und zum Erstaunen aller anderen, eine kleine Tochter zur Welt gebracht. Mittlerweile war die verrückte tattrige Beatrice gestorben, was für Adelaide ein Grund mehr zur Freude war. Sie ließ das Innere von Grope Hall komplett umgestalten, während das Äußere so schroff wie immer blieb. Jetzt sahen die Räume nicht mehr so vorgestrig aus wie früher. Adelaide hatte sie neu streichen lassen und sie im allermodernsten Stil eingerichtet, nachdem sie von dem Chefbuchhalter erfahren hatte, dass sie die Kosten dafür als Betriebsausgaben absetzen konnte. Nur die oft geschrubbten Holztische und -bänke in der Küche und im Arbeitszimmer blieben. Hier wurden die Geschäfte geführt, und Adelaide hatte nicht vor, sich ihren Wohlstand auch nur im Mindesten anmerken zu lassen. Aus Sicherheitsgründen war der größte Teil des Goldes, in das sie ihren Profit investiert hatte, in einem unnötig tiefen Grab versteckt und lag mit Erde bedeckt unter den steinernen Bodenplatten der uralten Kapelle. Niemand außer Adelaide und dem Reverend Nicholas Grope wussten davon, und diesem wurde es niemals erlaubt, das Anwesen zu verlassen, also zählte er kaum. Außerdem war er so betagt und die Anstrengung, das Grab zu schaufeln, in dem das Gold ruhte, hatte seinen Rücken dermaßen ruiniert, dass er die meiste Zeit im Bett verbrachte und nirgendwo hinkonnte, selbst wenn er gedurft hätte.
    Schließlich holte das 20. Jahrhundert die Familie ein, wenngleich nicht so, wie man vielleicht hätte erwarten sollen. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges hatte der enorme Bedarf der Industrie auch die letzte Kohle im Bergwerk erschöpft, das wegen Einstürzen und Überflutungen bereits zweimal hatte geräumt werden müssen. Alles in allem jedoch hatte der Krieg nur sehr wenig Auswirkungen auf die Lebensweise der Gropes.
    Die erste Katastrophe kam mit der Spanischen Grippe, die in ganz Europa zwanzig Millionen Menschen dahinraffte – mehr als in dem grauenhaften Krieg umgekommen waren. Zu diesem Zeitpunkt war der Nachfolger von Reverend Nicholas bereits an Herzversagen gestorben und hatte das Geheimnis des Familienschatzes im wahrsten Sinne des Wortes mit ins Grab genommen, nämlich dass Adelaides Tochter das Gold unter dem Leichnam neu vergraben hatte. Schließlich machte die Spanische Grippe auch Adelaide, ihrer Tochter und ihrem Mann, dem Chefbuchhalter den Garaus, der das Anwesen in letzter Zeit unter der Anweisung seiner Frau und seiner herrischen Tochter weitgehend verwaltet hatte. Adelaides Nachfolgerin als Familienoberhaupt war eine Witwe, Mrs. Eliza Grope, die nach dem Tod ihres Mannes nach Grope Hall zurückgekehrt war. Sie war General Ludendorff zutiefst dankbar dafür, dass er ihr im Zuge seiner Märzoffensive 1918 ihren Gatten Major Grope vom Hals geschafft hatte.
    Nachdem sie das Regiment übernommen hatte, führte Eliza bald wieder die alten Bräuche der Gropes ein, da die Grube keine Kohle mehr
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