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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre
Autoren: Tom Sharp
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rücksichtslose Wesen ihrer Ahnen geerbt hatte, fand trotzdem Mittel und Wege, den neu entdeckten Wohlstand der Familie Grope sowie den plötzlichen Zuwachs an verfügbaren Männern gewinnbringend zu nutzen. Um sicherzugehen, dass die Steuerbehörden den wahren Profit des Bergwerks nicht ermittelten, hatte sie den Vertrag mit der Bergbaugesellschaft selbst aufgesetzt. Es war gelinde gesagt ein außergewöhnliches Dokument. Sämtliche Gewinne mussten monatlich in Goldmünzen ausgezahlt und sodann vom Chefbuchhalter persönlich nach Grope Hall gebracht werden, dem seinerseits insgeheim fünf Prozent der nicht dokumentierten Gesamtsumme garantiert worden waren. Schließlich hatte sie Beatrice, von Rechts wegen noch immer das Familienoberhaupt, dazu überredet, im Beisein von zwei völlig verängstigten Ärzten, einer davon ein Psychiater in einem Hospital für Geisteskranke, sowie eines Notars den Vertrag mit der Bergbaugesellschaft zu unterzeichnen. Da Beatrice zu diesem Zeitpunkt geistig bereits so verwirrt gewesen war, dass es an Demenz grenzte, hatte Adelaide für dieses Privileg fürstlich bezahlt und eine handfeste Bestechungssumme für den Notar und die Ärzte hinlegen müssen, um bestätigt zu bekommen, dass ihre Mutter klaren Verstandes sei.
    Nachdem sie den Wohlstand der Gropes gesichert hatte, befasste Adelaide sich mit dem lästigen Problem, den Fortbestand der weiblichen Stammbaumlinie zu sichern. Und so wie ihre Vorfahren kam sie zu dem Entschluss, dass Entführung und gewaltsame Freiheitsberaubung die einzig brauchbare Lösung seien.
    Da ihr aufgefallen war, welche Zugangsmöglichkeiten zu den Ländereien der Gropes durch die neuen Bahngleise entstanden waren, schmiedete Adelaide einen ehrgeizigen Plan. Sie wollte das Anwesen besser sichern und zugleich dafür sorgen, dass jeder Bergmann, den die Gropes einmal in die Finger bekommen hatten, auch in diesen Fingern verblieb. Einmal hatten sie bei einem besonders erfolgreichen nächtlichen Streifzug zwei arglose Burschen erwischt, die friedlich im Mosedale River geangelt hatten. Unter den wachsamen Blicken zweier der hünenhafteren Grope-Töchter waren die beiden dann etliche Stunden später wie Hühnchen verschnürt wieder erwacht. Nach diesem Vorfall wurden Vorsichtsmaßnahmen umso dringlicher. Ein Schild wurde am Tor angebracht, auf dem jeder, der sich nach Grope Hall begeben wollte, mit dem Hinweis VORSICHT SPANISCHE KAMPFSTIERE gewarnt wurde, und tatsächlich waren neben dem unwegsamen Pfad, der als Auffahrt diente, zwei geschmeidige, gefährliche Bullen lose angepflockt.
    Nach etlichen Missgeschicken, bei denen es vorwiegend um aufgespießte Briefträger ging, und dem völligen Ausbleiben jeglicher an die Gropes adressierter Post, ganz gleich, wie wichtig, war neben dem Tor ein Briefkasten an der Mauer befestigt worden.
    Adelaide war sogar noch weiter gegangen, um sicherzustellen, dass niemand auf das Anwesen vordrang und dass niemand, der einmal drin war, wieder herauskam. Eiserne Spieße waren auf der Mauerkrone angebracht worden, während auf der Innenseite der Mauer besonders dicker Stacheldraht auf weiteren Spießen gespannt wurde. Tatsächlich waren diese Maßnahmen eher kontraproduktiv. Der Ruf der Gropes hatte jahrhundertelang ausgereicht, um die Leute fernzuhalten, und dass sie etwas errichtet hatten, das einer mächtigen Wehranlage gleichkam, erregte nur jede Menge Neugier. Die Menschen kamen aus Brithbury und sogar von noch weiter her, um die Spieße und die sonderbaren schwarzen Bullen in Augenschein zu nehmen. Und natürlich verbreiteten sie bei ihrer Heimkehr die Kunde, dass die alten Traditionen der Familie Grope offenkundig nicht ausgestorben waren.
    »Bestimmt versuchen sie, irgendeinen armen Teufel da drin festzuhalten«, lautete die allgemeine These im Mosley Arms. »Muss ja ein ganz Wilder sein, dass sie all diese Eisenspieße und den Stacheldraht und all so was brauchen. Hat sicher ein kleines Vermögen gekostet, das alles zu bauen. Reich sind sie, die Gropes, dass die sich das alles leisten können. Der Himmel allein weiß, wo sie diese Bullen herhaben.«
    »Angeblich aus Spanien. So steht’s auf dem Schild.«
    Ein alter Mann am Kamin grinste. » Angeblich «, meinte er. »Meiner Meinung nach haben sie die Biester in Barnard Castle gekauft. Das sind genauso wenig Kampfstiere wie ich.«
    »Ich würd’s trotzdem nicht riskieren, da hinzugehen«, verkündete ein anderer. »Diese neun Köter, die jagen mir eine Heidenangst ein. Sind
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