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Lauter Irre

Lauter Irre

Titel: Lauter Irre
Autoren: Tom Sharp
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Rossetti Grope neun Monate später eine ungewöhnlich hässliche Tochter zur Welt brachte, mit schwarzen Augen und dunklem Haar und ohne irgendeine Ähnlichkeit mit den Jungs, die Arthur gezeugt hatte. Er starb ein Jahr später als zutiefst verbitterter, trunksüchtiger Kastrat; Rossetti und ihre Tochter folgten ihm bald darauf ins Grab. Beide hatten sich in einem ausnehmend kalten und nassen Winter eine Lungenentzündung zugezogen.
    Zum Glück machte Fanny Rossettis Unzulänglichkeiten wieder wett; sie gebar ohne kirchlichen Segen sieben Töchter, indem sie regelmäßig spätabendliche Abstecher nach Gingham Coalville unternahm, wo sie sich, da sie weniger empfindlich in Sachen Körperhygiene war als ihre Schwester, an den Aufmerksamkeiten Bert Trubshots erfreute. Dank eines Fäkaliensammlers war die weibliche Linie der Gropes abermals gesichert.

2
     
    Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte der allgemeine Wohlstand endlich Mosedale und Grope Hall. Die Gropes, die bereits Wasserklosetts installiert und Polsterstühle angeschafft hatten, taten ihr Bestes, diesen neuerlichen Ansturm der Moderne mit der Begründung zu ignorieren, er werde wie alle anderen Modeerscheinungen bald vorübergehen. Unausweichlich jedoch erlag selbst Beatrice, nunmehr die Herrin von Grope Hall, dem Lockruf von Zierdeckchen und dem überladenen Einrichtungsstil, der sich anderswo vor fünfzig Jahren großer Beliebtheit erfreut hatte. Die alten Zinnzuber, die der Familie so viele Jahre lang für ihre jährlichen Waschungen genügt hatten, wurden abgeschafft und durch eine gewaltige eiserne Badewanne ersetzt, mit Hähnen und zuverlässig fließendem kaltem sowie gelegentlich auch warmem Wasser, und die weiblichen Gropes waren nunmehr mindestens einmal in der Woche beim Baden anzutreffen.
    Abgesehen von den Ehemännern und dem einen oder anderen Sohn, der sich noch immer auf dem Anwesen herumdrückte, liefen die Dinge im Großen und Ganzen weiter wie bisher. Die Männer der Gropes brauten Bier für ihre Frauen und destillierten diverse lebensgefährliche Spirituosen, die sie je nach Farbe als Brandy oder Gin bezeichneten, so, wie sie es seit Generationen getan hatten. Und wenn sie Glück hatten oder ihre Gattinnen es wünschten, wurde ihnen gestattet, ein Bad im nahe gelegenen Fluss zu nehmen.
    Wohlstand hin oder her, die Gropes gingen weiter ihrer Arbeit nach, als würde sich so schnell nichts Grundlegendes ändern. Doch sie irrten sich.
    Anfang des 20. Jahrhunderts wurde auf ihrem Grund und Boden Kohle gefunden, in größeren Mengen als jemals zuvor und in so dicken Schichten und derart nah an der Oberfläche, dass Adelaide Grope der Aussicht auf unermesslichen Reichtum auf keinen Fall widerstehen konnte. Sie war diejenige Tochter, die einen ausgeprägten Geschäftssinn besaß und anstelle der mittlerweile senilen und bettlägerigen Beatrice als Familienoberhaupt fungierte.
    Der Wettlauf mit dem deutschen Kaiser im Aufrüsten zur See hatte gerade begonnen, und der Bedarf an Kohle war riesengroß, um Schlachtschiffe zu bauen und anzutreiben. Ein schmaler Schienenstrang wurde entlang der öden Täler gebaut, und bis zum Rand vollgeladene Loren rollten zu den großen Eisenwerken und Werften sechzig Meilen weiter im Osten und kehrten mit kräftigen Männern beladen zurück, die in der Kohlegrube arbeiten sollten.
    Fast über Nacht wurden die Gropes verhältnismäßig reich, sowohl was Geld als auch was einen scheinbaren Überfluss an Männern anging, die den Grope-Mädchen zu Diensten sein könnten, selbst wenn sie sie nicht heiraten wollten. Doch es sollte nicht sein. Der unheilvolle Ruf der Familie sowie neun fürchterliche Hunde, Nachkommen der freundlichen Bluthunde, nunmehr jedoch entschieden weniger gutmütig, schreckten sämtliche Männer ab, ob sie nun neu in der Gegend waren oder nicht. Desgleichen die Mädchen selbst. Beatrices Töchter schlugen nämlich alle fünf viel zu sehr nach ihren weiblichen Vorfahren, um selbst für einen völlig verzweifelten Mann auch nur im Geringsten anziehend zu sein. Bald mieden die Bergleute Grope Hall ganz und waren nur noch in Gruppen unterwegs; denn ein Mann allein gab ein nur allzu leichtes Ziel ab. Aus den Fenstern von Grope Hall beobachteten lüsterne Raubtieraugen, wie sie des Morgens aus den leeren Kohlewagons kletterten und sich abends an die Seiten der voll beladenen Loren klammerten, die aus der Grube zurückkehrten. Die Grope-Mädchen waren machtlos.
    Adelaide jedoch, die das
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