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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
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anders, wir müssen sie erst einmal bewundern. So viel Wärme und Lebensfreude findet man selten in unseren Breiten. Auf die Dauer kann dieses ungebremste Temperament allerdings auch anstrengend werden. Mich stört überdies ihr Unvermögen, die Lautstärke ihres Lachens um ein paar Nuancen zu drosseln.
    Zum Glück wendet sie sich hauptsächlich an Anneliese, in der sie sofort eine verwandte Seele wittert.
    »Yola hat leider wenig Zeit, und viele ihrer Pflanzen kümmerten vor sich hin. Ich habe alle neuen Triebe gestutzt, und zwar bei abnehmendem Mond, das hat vorzüglich geholfen.«
    Anneliese pflichtet ihr bei: »Und wenn der Mond im Sternzeichen Jungfrau steht, solltest du Stecklinge setzen!«
    Mit solchen Gesprächen kann ich überhaupt nichts anfangen. Deswegen bin ich ganz froh, daß Yola nun auch in den Wintergarten kommt und ihrer Mutter die Krücken reicht. Luiza drückt mit der rechten Hand ihre Zigarette aus, mit der linken pfeffert sie die ungeliebten Stöcke in eine Ecke.
    »Mama, hast du endlich die Gelegenheit zum Qualmen und Fachsimpeln gefunden? Leider werde ich mich von einigen deiner Lieblinge trennen müssen. Sobald unser Baby krabbeln kann, muß das giftige Zeug aus dem Haus.«
    Yola schaut fragend zu Anneliese hinüber. »Möchten Sie vielleicht die Engelstrompete adoptieren?«
    Noch bevor Anneliese danken kann, ruft Andreas: »Essen fertig!«, und wir gehen zu Tisch.
     
    Als Vorspeise gibt es geröstetes Knoblauchbrot mit Tomatensalat und einen frischen Vinho verde. Die gallenkranke Anneliese langt wieder einmal kräftig zu. Luiza bestreitet das Gespräch fast allein, erzählt von Fußballfieber und der Inflation in ihrer Heimat, fragt, ob wir den Namen Gustavo auch so schön fänden, äfft einen Papageien nach, lacht und trinkt. Nicht nur zu Ewald, auch zu allen anderen sucht sie Körperkontakt. So wie Annelieses Mann ein Pelzrücker war, so ist sie eine Anfasserin. Aber ist sie verliebt in Ewald? Eher nicht, glaube ich, denn offensichtlich findet sie Gefallen daran, ihn bei jeder Gelegenheit zu veräppeln.
    Hin und wieder, wenn sie allzu übermütig wird, murmelt Ewald entschuldigend: »Spaß muß sein.« Ein absolut humorloser Spruch, den ich im Grunde nicht ausstehen kann.
    Nach dem dritten Knoblauchbrot bin ich ziemlich satt und betrachte sinnend das Besteck, ob es mir vielleicht einen Hinweis auf die weitere Speisenfolge geben könnte.
    Ewald soll schließlich eine schwere Keramikplatte aus dem heißen Ofen nehmen und auftragen. Es gibt Empanadas, wie uns Yola erklärt. Die Teigtaschen wurden mit Hackfleisch, Oliven, Zwiebeln, Speck und Rosinen gefüllt und mit viel Chili scharf gemacht. Dazu gibt es schwarze Bohnen und einen trinkbaren Rotwein aus Rio Grande do Sul. Alles in allem ist es ein eher schlichtes, dafür Durst erzeugendes Essen, doch durch fremdartige Würze und ungewohnt deftige Trinksprüche verfallen wir restlos der Exotik dieses Abends.
    Kaum haben wir zum Abschluß einen pechschwarzen und zuckersüßen Kaffee geschlürft, als Yola sich erhebt und entschuldigt. Sie müsse früh aufstehen und sei sehr schlafbedürftig. Das bedeute aber nicht, daß wir nun gehen sollen, versichert sie, ganz im Gegenteil. Ewald und Andreas wechseln einen kurzen Blick. Sie hatten wohl von Anfang an geplant, noch ein wenig Schach zu spielen.
    Anneliese raunt mir zu: »Erinnerst du dich an Baden-Baden? Rudi im Duell mit dem netten Nikolai? So eine Partie kann ewig dauern.«
     
    Wir machen gute Miene zum königlichen Spiel und begeben uns mit Luiza in den Wintergarten. Mit einem Seufzer zündet sie eine Zigarette und neue Kerzen an.
    »Wißt ihr«, sagt sie und pafft mir den Rauch ins Gesicht, »ich bin sehr stolz auf meine Tochter. Sie hat alle deutschen Eigenschaften, die ich nicht habe – Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnungsliebe. Aber sie ist streng und will mir unbedingt das Rauchen abgewöhnen. Nun ja, sie hat mildernde Umstände als Schwangere und Ärztin; sorry, ich habe gar nicht gefragt, ob ihr auch rauchen wollt?«
    Eigentlich haben wir uns dieses Laster vor vielen Jahren abgewöhnt. Doch anscheinend will Anneliese unserer Gastgeberin imponieren, denn sie meint: »Nach einem guten Essen ist ein Sargnagel der einzig richtige Abschluß. Rauchst du eigentlich bloß brasilianische Sorten?«
    Luiza behauptet, sie mische den Tabak und drehe sich ihre Zigaretten eigenhändig, und für liebe Freunde hätte sie etwas Besonderes auf Lager. Wie ein luftiger Papageno flattert sie davon, um die
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