Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
Vom Netzwerk:
Ärger mit euch Junkies hätte!«
    Als sie geht, um nach ihrem Papa zu schauen, falle ich in einen Dämmerschlaf. Ohne zu wissen, wie spät es ist und wo ich bin, bemerke ich doch, daß irgendwann ein zweites Bett ins Zimmer gerollt wird.
    Anneliese winkt mir kaum merklich zu und döst gleich wieder ein. Es ist schon ein Wunder, daß sie auf ihre alten Tage die Flugangst überwunden hat und hinter Luiza hersegeln wollte.

28
    Bald jährt sich der Tag, an dem ich von Wiesbaden nach Schwetzingen gezogen bin, und auch der peinliche Sturz von der Brücke liegt nun schon sieben Monate zurück. Wir erinnern uns ebenso ungern wie verschwommen an unseren mißratenen Höhenflug. Anneliese trauert vor allem ihrem Russenschmuck nach, denn bloß der Smaragdring ist ihr als Erinnerungsstück an Baden-Baden geblieben.
     
    Erst zwei Tage nach dem Unfall wurde Yolas Mutter gefunden; die Obduktion ergab ein schweres Schädeltrauma und Tod durch Ertrinken. Man nimmt an, daß sie mit dem Kopf gegen einen Brückenpfeiler prallte und sofort das Bewußtsein verlor. Insofern war Annelieses beträchtliches Gewicht ein Segen, denn wir drifteten beim Fallen nicht ab, sondern plumpsten hinunter wie ein Senkblei.
    Der auffällige Schmuck, den die tote Luiza trug, erregte das Interesse einer Polizistin, die erst kürzlich die Fahndungsliste des Bundeskriminalamts durchgegangen war. Brosche und Ohrgehänge – das Armband ruht wahrscheinlich auf dem Grund des Neckars – wurden ihrer Tochter vorgelegt. Yola sagte, diese Sachen habe sie noch nie an ihrer Mutter gesehen, sie könnten aber unter Umständen aus Brasilien stammen.
    Wahrscheinlich wurden die Schmuckstücke an die Russen zurückgegeben, denn Rudi erzählte mir später, daß sie von der Liste gesuchter Gegenstände verschwunden seien. Anneliese und ich nehmen an, daß man die tote Luiza für die Diebin hielt, die allerdings nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden konnte.
    Manchmal habe ich das Gefühl, daß Ewalds Tochter etwas ahnt, denn sie legt keinen großen Wert auf unsere Gesellschaft. Dabei sollte sie letzten Endes dankbar sein, daß wir uns so aufopfernd um ihren Vater kümmern. Aber vielleicht bilde ich mir das bloß ein, denn Yolas Gedanken kreisen im Augenblick sowieso nur um ihr Baby. Der kleine Gustav kam pünktlich und gesund zur Welt. Kurz darauf hat Ewald eine Engelstrompete, zwei Oleander, einen Rizinus und einige Kakteen aus Yolas Wintergarten zu uns befördert, ich konnte der entzückten Anneliese die Annahme leider nicht ausreden.
     
    Ewald wohnt nach einem kurzen Intermezzo wieder bei uns, und wir wollen seine Gunst nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. In Yolas Wohnung wurde zwar nach Luizas Tod ein Zimmer frei, aber das war bereits für das Baby vorgesehen. Leider ist es durch Ewalds ständige Anwesenheit immer enger bei uns geworden, denn peu à peu hat er eigene Möbelstücke eingeschleust.
    Aufgeregt haben wir uns darüber nicht. Der Todesflug hat uns von allen kleingeistigen Sorgen kuriert. Auch Anneliese läßt die Dämonen ruhen, der Garten, ihr geliebtes Hexenhäuschen und unsere Freundschaft, das sind die wahren Werte.
     
    »Ich stehe morgens ungern auf«, sagt Ewald, »und abends gehe ich ebenso ungern zu Bett.«
    Deswegen sitzen wir jetzt oft lange beim späten Frühstück. Wenn wir abends nicht gerade fernsehen oder lesen, diskutieren wir über Gott und die Welt. Falls es um Politik geht, können wir uns richtig in die Wolle kriegen. Ich stamme aus einer Sozialistenfamilie, Anneliese ist eine Altgrüne und Ewald wählt die FDP .
    Da Ewald im Gegensatz zu mir noch gern Auto fährt, machen wir einmal in der Woche einen größeren Ausflug und bestimmen abwechselnd das Ziel. Als Naturfreundin begeistert sich Anneliese besonders für Schau- und Sichtgärten. Neulich besuchten wir den wunderschönen Hermannshof in Weinheim, in dieser Woche wird es der Heilkräutergarten in Lorsch sein, und für den Juni schlägt sie die Eltviller Rosentage vor. Mein Wunsch ist eine Fahrt zum Schmuckmuseum nach Pforzheim oder nach Erbach, dem alten Zentrum der Elfenbeinschnitzerei. Ewald interessiert sich dagegen für die Volkssternwarte in Darmstadt und das Landesmuseum für Technik in Mannheim. Ich hoffe, wir können uns dank unseres Chauffeurs auch weiterhin in jeder Woche auf einen kleinen Höhepunkt freuen.
    Erfreulicherweise hat Anneliese ihre Flugangst rein theoretisch überwunden, jedenfalls glaubt sie fest daran. Wir haben beschlossen, es im nächsten Winter den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher