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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
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uns einmal alle zum Abendessen bei Yola treffen!«
    Weder Anneliese noch ich widersprechen. Natürlich ist es hochinteressant, nicht nur Luiza und Yola zu begutachten, sondern auch ihr Heim und ihre Kochkünste zu testen.
    »Wann?« frage ich.
    »Nun, über den Kopf meiner Tochter hinweg kann ich das nicht bestimmen«, sagt Ewald, »aber ich nehme an, daß es ihr am Wochenende am besten paßt.«
    Anneliese hat den Tisch hübscher gedeckt als sonst. Vor ihrer Tasse liegt das Herz aus Rosenquarz, das Ewald ihr geschenkt hat. Sie selbst trinkt heute ausnahmsweise Tee. Die leuchtendgelbe Schale einer Zitrone wickelt sich spiralförmig von einer halben Frucht herunter und gibt das hellere Fleisch und die weißliche Innenhaut frei. Jede Zitronenscheibe ähnelt einem zierlichen Rad, das sich aus vielen kleinen Segmenten zusammensetzt. Die knusprigen hellbraunen Brötchen, das klobige Stück Gouda, das von Ewald lustvoll zersäbelt und in winzigen Bröckchen verspeist wird – alles erinnert mich in seiner prächtigen Stofflichkeit an ein barockes Stilleben. Mir ist sonntäglich zumute. Als hätte ich diese Szene schon oft erlebt und gleichzeitig so, als wäre alles ein Traum.
    »Wird Luiza bald nach Brasilien zurückkehren?« fragt Anneliese.
    »Das weiß sie noch nicht«, sagt Ewald, »auf jeden Fall möchte sie bis zur Geburt ihres ersten Enkelkindes in Heidelberg bleiben.«
    Halb in Trance plappere ich heraus, was mir gerade durch den Kopf geht: »Willst du sie heiraten?« Kaum habe ich den verhängnisvollen Satz ausgesprochen, werde ich auch schon über und über rot.
    Anneliese starrt mich voller Bewunderung an, Ewald lacht.
    »Eins kann ich euch versprechen: Wenn ich irgend etwas bestimmt nicht anstrebe, dann eine neue Abhängigkeit.« Er schüttelt sich. »Einmal und nie wieder!« sagt er. Und in Annelieses Richtung: »Ist dir nicht gut? Du trinkst doch morgens immer Kaffee?«
    »Es ist eine neue Teesorte, die ich ausprobieren wollte«, antwortet sie, »der Roybush schmeckt köstlich, aber leider habe ich den letzten Tropfen gerade ausgetrunken. Soll ich dir noch rasch eine Tasse aufbrühen?«
    Ich erstarre vor Schreck, aber Ewald schüttelt zum Glück den Kopf.
    »Ich bin so froh, daß es bei euch einen anständigen Kaffee gibt! Bernadette hat mich jahrelang mit ihren gräßlichen Kräutermischungen traktiert; auch wenn deiner viel besser sein mag, für mich bitte nie wieder Tee.«
    Pech gehabt, liebe Anneliese, denke ich und schenke meiner Freundin einen geheuchelten Blick des Bedauerns.
    »Nicht nur euer Kaffee ist Spitze«, fährt Ewald fort, »Anneliese hat mir schon viele leckere Gerichte vorgesetzt, die ich fast vergessen hatte. Zum Beispiel Hasenpfeffer, Hackbraten, Grießsuppe, Karamelpudding oder Zitronencreme. Nicht zu vergessen die wunderbaren Armen Ritter!«
    Das geht Anneliese natürlich glatt hinunter. Gedankenverloren schmiert sie einen weiteren Toast mit sanft zerlaufender Butter und Holundergelee. Dann erzählt sie von ihrem heutigen Traum, um noch mehr Ehre einzulegen. Sie habe ein Frauenauto erfunden, in dem das leidige Rückwärtsfahren kein Problem mehr sei.
    »Heutzutage haben ja viele Züge an jedem Ende eine Fahrerkabine, so daß sie in einem Kopfbahnhof zum Wenden nicht gezogen werden müssen. In meinem Traum habe ich nach diesem Prinzip ein Auto konstruiert, das nicht nur vorn, sondern auch hinten ein Steuer, Gaspedal, Bremse und Kupplung hat.«
    Der Maschinenbau-Ingenieur hört aufmerksam zu, das Frauenauto scheint ihn zu begeistern.
    »Tolle Idee! Und absolut machbar! In den fünfziger Jahren entwickelte Zündapp einen Wagen namens Janus, da gab es vorn und hinten einen Einstieg, und die Passagiere saßen Rücken an Rücken.« Nach einigem Überlegen fällt ihm noch mehr ein: »Der Janus hatte einen gebläsegekühlten Einzylinder-Zweitaktmotor und …«
    Anneliese gähnt. Genau solche Details sind es, die wir an den Berufen der meisten Männer so langweilig finden. Aber andererseits ist es nett, daß Ewald gar nicht erst auf die Idee kommt, Witze über rückwärtsfahrende Frauen zu machen. Sowohl Udo als auch Hardy hätten es sich nicht verkneifen können.
    Der Gentleman steht auf.
    »Um euch nicht allzulange auf die Folter zu spannen, werde ich jetzt bei Yola anrufen. Wenn ich Glück habe, kann ich sie im Stationszimmer erwischen, denn die Visite sollte um diese Zeit vorbei sein.«
    Anneliese beginnt den Tisch abzuräumen, denn es wird fast schon Zeit, sich um das Mittagessen zu
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