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Ladylike

Ladylike

Titel: Ladylike
Autoren: Ingrid Noll
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noch auf? Was gibt’s?« fragt er mit einer Miene, als könne er kein Wässerlein trüben. Von Schuldbewußtsein keine Spur.
    »Wo warst du?« frage ich scharf.
    »Mein Gott, geht das schon wieder los! Ich bin doch kein Schuljunge«, sagt Ewald. »Bernadette hat mich jahrelang mit ihrer Eifersucht gequält, aber ihr seid keinen Deut besser als sie!«
    Es tut mir trotz allem weh, daß er so ungehalten wirkt und den Raum grußlos verlassen will; Anneliese verhindert seine Flucht durch einen schrillen Pfiff.
    »Zufällig hat man dich im Heidelberger Ritter gesehen«, sagt sie. »Warum ist es nicht möglich, daß du uns offen und ehrlich von deinen Eskapaden berichtest? Schließlich wohnst du jetzt in meinem Haus, da habe ich wohl ein Recht darauf, Bescheid zu wissen!«
    »So, hast du das?« sagt er belustigt, zieht sich aber doch einen Stuhl an den Tisch und setzt sich hin.
    Wir starren ihn erwartungsvoll an. Ewald ist ein Meister gutinszenierter Pausen.
    »Du hast einen Tomatenfleck auf der Bluse«, sagt er schließlich zu Anneliese. Dann kommt er endlich zur Sache. »Auf Yolas Hochzeit habe ich nach fast vierzig Jahren meine frühere Geliebte wiedergetroffen; ich hatte nie richtig begriffen, wie sehr ich Luiza damals verletzt habe. In ein paar Monaten kommt unser Enkelkind zur Welt, es wäre doch furchtbar, wenn wir uns bis dahin nicht ausgesöhnt hätten.«
    »Und warum durften wir das nicht wissen?« frage ich.
    »Weil es eigentlich nur Luiza und mich etwas angeht«, sagt er. »Es war Yolas Idee: Zweimal in der Woche haben wir einen Termin bei einer Psychotherapeutin. Und die Abende verbringen wir gelegentlich mit unserer Tochter und dem Schwiegersohn. Ich hätte euch das sowieso irgendwann gesagt, aber eine Therapie ist für einen alten Mann keine leichte Sache, und ich mag momentan nicht gern darüber sprechen. – Seid ihr nun endlich zufrieden? Darf ich jetzt untertänigst darum bitten, ins Bett gehen zu dürfen?«
    Bevor wir etwas entgegnen können, erhebt er sich und verläßt den Raum.
    Aus der Küche höre ich das Geräusch des zuschnappenden Kühlschranks. »Er nimmt sich noch ein Bier mit nach oben«, sage ich, »als ob er mit dem klotzigen Fernseher alles im voraus bezahlt hätte!«
    Anneliese ist fast zorniger als ich. »Weißt du was«, sagt sie, »wenn du die Auserkorene wärest, könnte ich es irgendwie akzeptieren. Aber so ein hergelaufenes Negerweib, das kann ich nicht ertragen!«
    Rassismus kann wiederum ich nicht ertragen.
    »Zügle bitte deine Zunge«, sage ich. »Wir wissen im übrigen gar nicht genau, ob die beiden ihre uralte Liaison wiederaufleben lassen.«
    »Wie naiv bist du eigentlich! Da kenne ich den alten Schwerenöter aber besser!«
    Es sieht fast so aus, als würden wir uns in die Haare kriegen. Anneliese ist diesmal die Klügere, steht auf und wünscht mir eine gute Nacht; sie hat Tränen in den Augen. Obwohl ich sehr müde bin, bleibe ich sitzen und denke nach.
    Anneliese wünscht ihrem Jugendfreund den Tod. Meine liebste Freundin ist eine Konkurrentin für mich, doch ihr habe ich trotzdem nie die Pest an den Hals gewünscht. Ich hocke immer noch in ihrem Wohnzimmer. Woran mag es liegen, daß dieser plüschige Raum viel gemütlicher wirkt als mein Salon mit den hellen Biedermeiermöbeln? Auch Ewald hängt oft und gern in Hardys abgewetztem Ohrensessel herum, während er fast nie bei mir anklopft.
    Ewald gehört nicht zu jenen, die viel über ihre Gefühle oder ihr Privatleben verraten, aber gerade das ist auch mir nicht fremd. Wenn Anneliese ihn als Schwerenöter bezeichnet, dann liegt sie falsch. Er hat sich zwar in jungen Jahren bestimmt die Hörner abgestoßen, aber uns gegenüber verhält er sich nicht anbiedernd oder plump vertraulich, mir gegenüber fast allzu korrekt. Auf keinen Fall werde ich es zulassen, daß ihm ein Härchen gekrümmt wird. Mit diesem Vorsatz begebe ich mich zu später Stunde ins Bett.
     
    Beim Frühstück sagen wir alle drei wie aus einem Mund: »Heute nacht habe ich mir überlegt …« und müssen lachen.
    Ewald und ich verstummen, Anneliese hat als Betthupferl anscheinend Kreide gefressen und fährt fort: »… daß es nicht in Ordnung war, dich gestern so aufdringlich auszuhorchen. Wäre es nicht für uns alle das beste, wenn wir deine neue Familie kennenlernten? Ich möchte Luiza, Yola und deinen Schwiegersohn gern zum Tee einladen!«
    Ewald lächelt, auch er ist versöhnlich gestimmt. »Seltsam, auf dieselbe Idee bin ich auch gekommen. Wir sollten
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