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Die achte Offenbarung

Die achte Offenbarung

Titel: Die achte Offenbarung
Autoren: Karl Olsberg
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Prolog
Militärbasis Fort Fredrick, Maryland, Donnerstag 16:05 Uhr
    Es riecht nicht gut. Das war der erste Gedanke, den Eddie Wheeler hatte, als er das zweistöckige Gebäude auf dem Militärgelände von Fort Fredrick betrat, etwa achtzig Kilometer nordwestlich von Washington. Der zweite: wie damals, als Oma starb.
    Es war genau dieselbe Mischung des stechenden Geruchs von Desinfektionsmittel und der abgestandenen Atmosphäre von Räumen, die nie auf natürliche Weise belüftet wurden. Er konnte beinahe seine Großmutter vor sich liegen sehen, die Haut eingefallen, das bleiche Gesicht halb unter einer durchsichtigen Plastikmaske verborgen, wie sie ihn ansah. Er hatte an ihren Augen gesehen, dass sie versuchte zu lächeln, doch ihr Mund hatte nicht mehr die Kraft gehabt.
    Er hatte geweint.
    Erstaunlich, wie einen Gerüche plötzlich Szenen wieder erleben lassen, die Jahrzehnte zurückliegen, war sein dritter Gedanke. Er war damals erst zehn Jahre alt gewesen.
    »Hier entlang bitte, Sir!« Der uniformierte Corporal, der ihn am Eingang des Militärgeländes in Empfang genommen hatte, führte ihn über einen neonbeleuchteten Gang bis zu einem Büro am Ende. Eine farbige Sekretärin blickte mit mürrischem Ausdruck von ihrem Computerbildschirm auf. Neben ihr führte eine Tür in das Büro des Laborleiters, Dr. Steve Crowe.
    Crowe war Ende vierzig, ungefähr im selben Alter wie Eddie. Da hörten die Ähnlichkeiten allerdings schon auf: Während Crowe hochgewachsen und schlaksig war, hatteEddie einen gedrungenen Körperbau, der ihn immer etwas korpulent wirken ließ, obwohl er regelmäßig in einem Fitnessstudio trainierte. Crowes volles, schon fast weißes Haar bildete einen Kontrast zu den dünnen Fransen, die von Eddies einst üppiger dunkelblonder Lockenpracht noch übrig waren.
    Crowe war einer der wenigen Zivilisten, die auf dem Militärcampus arbeiteten. Seine grauen Augen wirkten müde, sein weißer Kittel war zerknittert, sein Händedruck schlaff, als er Eddie begrüßte. Sah er immer so aus, oder war der Eindruck das Ergebnis schlafloser Nächte in letzter Zeit?
    »Bitte nehmen Sie Platz«, sagte Crowe. »Möchten Sie Kaffee?«
    »Nein danke.« Eddie hätte nie im Leben in diesem Gebäude etwas zu sich genommen. Er war nicht unbedingt ein Hypochonder, aber er hasste Krankenhäuser und Arztpraxen. Und dieser Ort war in gewisser Hinsicht noch schlimmer. Hier heilten sie keine Krankheiten, hier brüteten sie welche aus. Zumindest vermutete er das, obwohl es natürlich offiziell verboten war, mit biologischen Kampfstoffen zu experimentieren.
    Er setzte sich, wobei er sich instinktiv bemühte, seine Hände so wenig wie möglich mit den Möbeln in Berührung zu bringen, holte einen Collegeblock und einen Bleistift aus seiner Aktentasche und legte sie vor sich hin. Seiner Erfahrung nach konzentrierten sich Zeugen besser auf die Beantwortung von Fragen und schweiften weniger ab, wenn er sich während des Gesprächs Notizen machte.
    »Dr. Crowe, was genau tun Sie in diesem Forschungsinstitut?«
    »Dies ist kein Forschungsinstitut, Mr. Wheeler«, korrigierte Crowe. »Das National Biological Threat DefenseCenter ist dazu da, mögliche Gefahren, die aus infektiösen Substanzen resultieren können, zu erkennen, zu bewerten und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Wir betreiben hier keine wissenschaftliche Forschung.«
    »Und trotzdem haben Sie ein Hochsicherheitslabor.«
    »Selbstverständlich. Wir müssen natürlich dazu in der Lage sein, potenziell hochletale biologische Substanzen zu analysieren.«
    »Und dazu bewahren Sie solche Substanzen hier im Gebäude auf.«
    »In unserem Hochsicherheitstrakt, ja.« Crowe blieb gelassen. Wenn es ihm unangenehm war, dass ihm jemand vom Office of Intelligence and Analysis – der Aufklärungsabteilung des Heimatschutzministeriums – auf den Zahn fühlte, überspielte er das geschickt.
    »Wann genau haben Sie festgestellt, dass die fraglichen Substanzen verschwunden sind?«
    Crowe sah ihn leicht verärgert an. »Wir haben nicht festgestellt, dass irgendwelche Substanzen verschwunden sind. Wir haben lediglich eine Inventurdifferenz bemerkt.«
    »Und das heißt?«
    »Das heißt, dass von einer Substanz weniger Bestand vorhanden ist, als laut unseren Bestandsdaten vorhanden sein müsste. Das kann zwei mögliche Ursachen haben: Entweder ist tatsächlich etwas von dieser Substanz verloren gegangen, oder die Daten stimmen nicht. Ich denke, Letzteres ist der Fall.«
    »Was macht Sie so
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